Wien – "Muss meine Frau tun, was ich ihr sage? – Nein, in Österreich sind Frauen und Männer gleichberechtigt." Auf Seite 46 des vom Roten Kreuz erarbeiteten Ratgebers "Angekommen" im Taschenformat für Flüchtlinge in Österreich geht es um Gleichberechtigung. Auf Seite 61 stehen Basisinformationen zum Gesundheitssystem: "Soll ich einen Arzt aufsuchen oder gleich in die Ambulanz gehen? – Die Ambulanzen der Krankenhäuser sind nur für Notfälle und für das Wochenende gedacht. Gehen Sie zu einem praktischen Arzt, wenn es nicht wirklich dringend ist", heißt es da – darauf folgen Tipps, wo Kontaktdaten von Ärzten zu finden sind.

Das 144-seitige Büchlein wurde von der Hilfsorganisation in einer Auflage von 60.000 Stück produziert. Es soll in ganz Österreich unter Asylwerbern verbreitet werden und Fragen zu ganz unterschiedlichen Themen auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Dari (Varietät des Persischen in Afghanistan, Anm.) beantworten. So zum Beispiel: "Darf mein Kind ab und zu auch den Unterricht versäumen?" Oder: "Worauf soll ich achten, um in der Öffentlichkeit nicht unangenehm aufzufallen?" Oder: "Worauf kommt es beim Handykauf an?"

Rund 50.000 Euro Kosten

Rechte und Pflichten, Hilfestellungen und wichtige Links sowie Kapitel zu Gepflogenheiten im Zusammenleben in Österreich – von Erklärungen zu Feiertagen bis zur Frage, wofür eine Hausordnung gut ist – finden sich in dem Büchlein, dessen Erstellung und Produktion nach Informationen des Roten Kreuzes 80 Cent pro Stück gekostet hat. Die Finanzierung erfolgte durch Spenden, die von der NGO und bei der ORF-Initiative "Helfen wie wir" gesammelt wurden. Die Inhalte stehen auch unter angekommen.online zur Verfügung.

Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer sagte bei der Präsentation am Mittwoch, man wolle das Büchlein auch anderen NGOs zur Verfügung stellen. Es gehe darum, dass sich die Angekommenen mit den rechtsstaatlichen Bedingungen vertraut machen können. "Gute Integration von Flüchtlingen dient auch der Aufnahmegesellschaft", so Schöpfer.

Martina Burtscher, die das vom Roten Kreuz betriebene Flüchtlingsquartier in Wien-Mitte leitet, erzählte davon, wie sie als Studentin in den Nahen und Mittleren Osten gefahren sei und dort einigen Leuten sehr viele Fragen zu den Gepflogenheiten habe stellen müssen. "Da hätte ich so einen Ratgeber brauchen können." Und sie ergänzte: "Wir müssen Geduld haben im täglichen Miteinander" – so wie die Leute damals mit ihr geduldig gewesen seien.

Ein-Euro-Jobs "nicht ganz absurd"

Heinz Fassmann, der dem Roten Kreuz zum Rohentwurf des Ratgebers Feedback gab, wiederholte seine Haltung zur Einführung der Ein-Euro-Jobs in Deutschland. Diese würden in Österreich abgelehnt, er selbst hielte sie aber durchaus für eine mögliche Integrationsmaßnahme. "Die Idee ist nicht ganz absurd", sagte der Migrationsforscher und Vizerektor der Universität Wien dem STANDARD am Rande der Pressekonferenz. "Die Menschen werden nicht von den Ein-Euro-Jobs leben, aber sie können den Arbeitsalltag kennenlernen und eine gewisse Anerkennung erhalten." Die Jobs sind nur für gemeinnützige Tätigkeiten gedacht, Fassmann sähe sie als zusätzliches Geld zur Mindestsicherung. (Gudrun Springer, 30.3.2016)