STANDARD: Wie oft überqueren Sie als Wall-Street-Korrespondent den Atlantik?

Koch: Ich schätze, dass ich alle zwei Wochen Richtung Deutschland düse. Inzwischen kenne ich fast alle Stewardessen.

STANDARD: Wo fühlen Sie sich wohler: in den USA oder Europa?

Koch: Ich sitze immer ein bisschen zwischen zwei Welten, fühle mich aber in beiden wohl. Mit der Familie verbringe ich einen Monat im Jahr in Deutschland. Ich habe das Beste beider Welten.

STANDARD: Und wo fühlt sich Ihr Geld am wohlsten?

Koch: Global, anders geht es nicht. Und man muss streuen. Ich habe ein Trading-Portfolio, das ich sehr aktiv betreibe mit einem Drittel meines Geldes, aber 70 Prozent sind in Pensionsplänen.

STANDARD: Gibt es die Mentalitätsunterschiede zwischen Europa und den USA auch beim Anlegen?

Koch: In den USA gibt es den Wahnsinn, dass das Volk noch an den amerikanischen Traum glaubt. Aber ich glaube, dass dieser Traum für die meisten ausgeträumt ist. In Deutschland oder Österreich haben wir das Gegenteil. Wir sind im Umgang mit Geld ein ängstliches Volk. Das liegt auch an unserer Historie. Wir haben Währungsreformen mitgemacht und eine Hyperinflation. Da ist die Angst ausgeprägter – entweder das Geld nicht zu haben, es zu verlieren oder auch darüber zu sprechen.

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Foto: Reuters/Brendan McDermid

STANDARD: Wie kann man diesen Ängsten entgegenwirken?

Koch: Die Unwissenheit zum Thema Wirtschaft und Geld ist groß. Man muss die Frage stellen, wie versteht die breite Bevölkerung den Zusammenhang von Geld und Wirtschaft. Wie absurd ist es, dass wir in Deutschland so viele Lottospieler haben. Kennen Sie jemanden, der im Lotto gewonnen hat? Ich nicht. Trotzdem wird Lotto gespielt. Wenn Sie den Einsatz dreißig Jahre lang in einen Fonds einzahlen, sind Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit wesentlich reicher. Dafür fahren sie Porsche, haben aber keine Aktien von VW im Portfolio. Das macht ja keinen Sinn.

STANDARD: Woran liegt dieses Unverständnis?

Koch: In Zeiten des Internets versucht jeder, mehr Breaking News zu generieren. Das verpufft irgendwann. Man muss versuchen, Schritt zu halten, obwohl keiner weiß, welche von zehn möglichen Entwicklungen die richtige sein wird. Also müssen wir versuchen, auf allen Ebenen zu surfen. Das ist für alle – die Finanzbranche und den Journalismus – eine immense Herausforderung.

STANDARD: Wie stellen Sie sich dieser Herausforderung?

Koch: Ich mache n-tv seit 20 Jahren, aber nur noch acht Tage im Monat. Börsenberichterstattung hat sich überholt, die Wertigkeit hat erheblich nachgelassen.

STANDARD: Können Sie das erläutern?

Name: Die Märkte entwickeln sich weiter, aber wir sind eigentlich noch immer Höhlenmenschen. Das ist die Herausforderung an der Börse, dass ich gegen meine Natur handeln muss. Wenn ich angegriffen werde, flüchte ich in der Natur. Wenn ich an der Börse angegriffen werde, muss ich zugreifen.

STANDARD: Sind daher automatische Handelsprogramme bessere Anleger als Menschen?

Koch: Ich denke, dass wir durch Automatisierung und Technologie ironischerweise zu der vergangenen Art der Geldanlage zurückkommen. Der Privatanleger wird durch die Automatisierung aus dem täglichen Geschäft verdrängt. Trading auf Tagesbasis macht keinen Sinn, der Mensch hat keine Chance gegen die Maschinen. Das bedeutet, dass die langfristigen Investments zurückkehren werden.

STANDARD: An der Wall Street geht es seit sieben Jahren aufwärts. Wird ein achtes Jahr folgen?

Koch: Wir erleben den viertlängsten Aufschwung in der Geschichte der Vereinigten Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Verrückte ist der Ansatz, dass es immer bergauf gehen muss. Die Zentralbanken handeln genau nach dem Motto.

STANDARD: Wird das gelingen?

Koch: Ich glaube, dieses Jahr wird das erste Jahr sein, in dem die breite Bevölkerung besser performt als die Wall Street. Wir haben auf einmal Lohnwachstum, wir haben einen deutlich erholten Arbeitsmarkt, einen erholten Häusermarkt und niedrige Energiepreise. Das breite Volk wird besser dastehen als die Wall Street. Die Wirtschaft kann nicht nur durch Geldpolitik geführt werden, die Konjunktur muss auch funktionieren.

STANDARD: Was ist bei der bisherigen Geldpolitik falsch gelaufen?

Koch: Die Notenbanken haben statt Nachfrage viel Angebot geschaffen, etwa am Ölmarkt oder in China Überkapazitäten in der Industrie. Wenn ich die Zinsen senke, kann sich jeder billiges Geld besorgen, und dann gibt es Blasen. Im Rohstoffsektor sehen wir das und in China auch. Nach der Finanzkrise war die Geldpolitik aggressiv, und das war notwendig, da brauchten wir die großen Kanonen. Aber dass wir sieben Jahre später mit den gleichen Kanonen schießen, ist Wahnsinn.

STANDARD: Was wäre der Ausweg?

Koch: Man müsste Geldpolitik inklusive Infrastrukturprogrammen machen. Oft hat (EZB-Präsident Mario, Anm.) Draghi in Richtung der Regierungen gewarnt: "I can not do your work." Die Notenbanken machen die Drecksarbeit der Politik. Das ist ein Dilemma, auch in den USA. Wir brauchen eine Steuerreform, müssen Steuerlücken schließen, aber die Politik macht nicht genug.

STANDARD: Glauben Sie deshalb nicht an den American Dream?

Koch: In Amerika wird aus einer Marktwirtschaft eine Marktgesellschaft, in der alles zum Verkauf steht. Ich habe kein Problem damit, wenn man sich ein dickes Auto kaufen kann oder eine Jacht. Aber ich habe ein Problem, wenn man sich ein längeres Leben kaufen kann, eine bessere Krankenversicherung oder ein besseres Bildungssystem.

STANDARD: Wohin wird das führen?

Koch: Die bittere Bilanz ist auch der Wahlkampf, den wir erleben. Bei Donald Trump, der die Sprache der Dreijährigen spricht und damit vom Volk verstanden wird, aber im Prinzip kein Programm hat, steckt keine Substanz dahinter. Aber dass das Volk es annimmt, zeigt Angst und auch Unverständnis. Man versteht nicht, warum es einem schlechter geht.

STANDARD: Wäre Trump als US-Präsident ein Grund für Sie, dem Land den Rücken zu kehren?

Koch: Nein. Aber bedenklich finde ich die Tatsache, dass so viele Amerikaner hinter Trump stehen. Das zeigt, wie zerrissen das Land ist. Das Problem ist nicht Trump an sich. Es sind Kandidaten, bei denen man nur zwischen Pest und Cholera wählen kann. (Alexander Hahn, 2.4.2016)