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Das Rätsel der Ninja! Oder: Wo auf dem Gelände des Ninja-Festivals ist denn jetzt bitte die Toilette?

Foto: REUTERS/Kim Kyung-Hoon

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Auch darauf konnte eine Antwort gefunden werden, ein Glück.

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Einen längeren Aufenthalt am Bahnhof habe ich kürzlich in der dortigen Buchhandlung verbracht. Das Angebot an Zeitschriften war reichhaltig; unter anderem auch bei den Medien, die sich mit Wissenschaft beschäftigen. Oder zumindest den Anschein erwecken, es zu tun. Denn das "Wissen" führen viele Magazine im Titel; die Geschichten scheinen sich dagegen eher auf das zu konzentrieren, was man nicht weiß.

"Die unglaublichsten Experimente der Medizin", "Die geheimen Verbrechen der USA", "Das kalte Geheimnis der Alpen" oder "Mysteriöse Ninja: In der geheimen Welt der Schattenkrieger": So waren die auf den Titelseiten angepriesenen Geschichten überschrieben (mein absoluter Favorit bei diesen Schlagzeilen lautete übrigens "Die unglaubliche Physik des Frühlings"). Wenn es nicht "unglaublich", "geheimnisvoll" oder "mysteriös" ist, ist es anscheinend nicht wert, berichtet zu werden.

Die Dramatik des Nichtwissens

Diese Tendenz ist bedenklich. Natürlich beschäftigt sich die Wissenschaft mit Dingen, die geheimnisvoll oder mysteriös erscheinen, und die Themen der modernen Forschung können durchaus "unglaublich" wirken. Aber bei all dieser Konzentration auf die Dramatik des Nichtwissens rückt ein ganz wesentlicher Punkt in den Hintergrund: Wissenschaft ist dazu da, Dinge herauszufinden und zu verstehen.

Menschen betreiben Wissenschaft ja gerade, um "geheimnisvolle" Phänomene erklären zu können. Natürlich mag es faszinierend sein, sich mit den Fragen zu beschäftigen, die man "mysteriös" findet. Aber noch viel faszinierender sind die Antworten, die von der Wissenschaft gefunden werden.

Zur Erkenntnisfindung

Wenn ich mich mit all den Ergebnissen der modernen Wissenschaft beschäftige, bin ich immer wieder aufs Neue von einer einzigen Tatsache fasziniert: dass wir darüber Bescheid wissen! Als Astronom habe ich mich mit Planeten, Sternen und Galaxien beschäftigt, die für uns Menschen unvorstellbar weit entfernt sind.

Die einzige Möglichkeit, etwas über diese Himmelsobjekte herauszufinden, ist das wenige Licht, das nach langer Zeit auf unsere Teleskope trifft. Und trotzdem haben wir es geschafft, daraus zu lernen, wie die Sterne aufgebaut sind. Was in ihrem Inneren passiert. Wie sie entstehen, sich entwickeln und wieder vergehen. Wie Galaxien kollidieren, Schwarze Löcher entstehen und was kurz nach dem Urknall selbst geschehen ist.

Teilchenphysiker sind in der Lage, den fundamentalen Aufbau der Materie zu untersuchen; Biologen können verstehen, was in den Zellen im Inneren unseres Körpers vor sich geht. Und so weiter. Wir wissen all das, und das Wissen selbst ist viel faszinierender als die Fragen, die uns zu diesen Antworten geführt haben. Noch faszinierender aber ist die Tatsache, dass wir Menschen in der Lage sind, all das herauszufinden!

Was Terry Pratchett sagte

Der Schriftsteller Terry Pratchett hat in einem seiner Bücher geschrieben: "Es ist sehr schwer, über Quantenmechanik zu sprechen und dabei eine Sprache zu benutzen, die sich ursprünglich entwickelt hat, um anderen Affen zu sagen, wo die reifen Früchte sind." Genau: Unser Gehirn ist nicht dafür gemacht, in den Maßstäben der Mikrowelt der Quantenmechanik zu denken; genauso wenig, wie wir die Ausmaße des Universums intuitiv verstehen können. Und trotzdem haben wir es geschafft, diese für uns unvorstellbaren Welten verständlich zu machen.

Die "Rätsel" und "Mysterien" werden uns so schnell nicht ausgehen. Es gibt noch genug, was wir nicht verstehen; genug Antworten, die wir finden wollen. Der Wunsch, das "Unglaubliche" verständlich zu machen, hat die Wissenschaft bisher angetrieben und wird das auch weiterhin tun. Aber es wäre völlig falsch, die Forschung auf diese (angeblichen) Geheimnisse zu reduzieren.

Die Faszination liegt in den Antworten

Ein Grund, warum Pseudowissenschaft und Esoterik so ungebrochen Zuspruch in der Gesellschaft finden (und dieser Kolumne so schnell das Material nicht ausgehen wird), ist das mangelnde Verständnis der Menschen für die Methoden und die Arbeitsweise der Wissenschaft.

Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus sollten dieser Tendenz nicht auch noch Vorschub leisten, indem die Forschung künstlich mystifiziert wird. Natürlich ist es zulässig und im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit auch wünschenswert, sich mit dem zu beschäftigen, was an der Arbeit der Wissenschaftler "faszinierend" ist.

Aber man darf dort nicht stehenbleiben. Die eigentliche Faszination liegt in den Antworten. (Florian Freistetter, 31.3.2016)