Ankara/Washington/Berlin – Immerhin wird es ein Treffen geben, heißt es im Weißen Haus. Zwar nicht das formelle, das der türkische Staatschef Tayyip Erdoğan gerne mit seinem US-Kollegen Barack Obama gehabt hätte, sondern nur ein informelles am Rande des Gipfels zu nuklearer Sicherheit in Washington. Doch dass es "nur" ein formelles Treffen mit Vizepräsident Joe Biden geben werde, das stimme nicht.

Dass sich Erdoğan damit zufriedengestellt fühlt, ist nicht sicher. Vor seiner Abreise mit dem Airbus A330 des türkischen Staates hatte er gesagt, dass er "natürlich" mit einem Treffen mit Obama rechne. Gut denkbar ist hingegen, dass der machtbewusste Staatschef es als zweite Zurückweisung innerhalb nur weniger Tage sehen wird.

Schon in der Karwoche war er mit europäischen Regierungen aneinandergeraten: Zunächst, weil europäische Diplomaten, darunter Deutschlands Botschafter Martin Erdmann, den Prozess gegen zwei Journalisten im Istanbuler Gerichtssaal verfolgt hatten; dann wegen eines Spottlieds in der deutschen Satiresendung Extra 3, die im öffentlich-rechtlichen Sender NDR zu sehen war.

Das Werk behandelt unter dem Titel Erdowie, Erdowo, Erdoğan unter anderem den Umgang des Staatschefs mit der Presse, aber auch jenen mit Frauenrechten und jenen mit den türkischen Kurden. Erdoğan sah sich nach der Ausstrahlung des Songs zu einer Einbestellung des deutschen Botschafters veranlasst.

extra 3

"Haltung deutlich gemacht"

Die deutsche Regierung äußerste sich lange nicht offiziell zu der Angelegenheit, und Bundeskanzlerin Angela Merkel verzichtete überhaupt auf eine Stellungnahme. Vizeregierungssprecherin Christiane Wirtz stellte aber am Mittwoch klar: "Sendungen wie die beanstandete gehören für Deutschland selbstverständlich zur deutschen Medienlandschaft dazu." Sie erklärte auch, die deutsche Regierung habe "auf diplomatischem Wege" ihre Haltung gegenüber Ankara deutlich gemacht. Botschafter Erdmann und auch Außenamtsstaatssekretär Markus Ederer hätten die deutsche Position verdeutlicht.

Dazu gehört laut der stellvertretenden Sprecherin des deutschen Außenamts, Sawsan Chebli, auch die Auffassung, dass Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit der Justiz sowie Presse- und Meinungsfreiheit "hohe Güter" seien, die es zu schützen gelte und die "nicht verhandelbar" seien. Für die deutsche Regierung ist die Affäre damit auch beendet.

Kritik der Opposition, dass die deutsche Regierung nicht schnell und klar genug auf Distanz zu Erdoğan gegangen war, weil sie von ihm bei der Bewältigung der Flüchtlingsfrage abhängig sei, wies Wirtz zurück. Es handle sich dabei um "unterschiedliche Sachverhalte", zudem sei der Deal mit der Türkei "ein europäischer".

Schärfere Töne kamen vom außenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen: "Ein Land, das irgendwann einmal Mitglied der EU werden will, muss lernen, dass sich die Medien einmischen und die Regierung keinen Einfluss darauf hat." Freuen können sich die Macher des Satirevideos. Das Liedchen wurde bis Mittwochnachmittag über 2,7 Millionen Mal bei Youtube angeklickt. (bau, mesc, 30.3.2016)