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Auf verlorenem Posten: Antonio Contes Italiener.

Foto: reuters/rehle

München – Nach der 1:4 (0:2) Niederlage im dienstäglichen Testmatch gegen Weltmeister Deutschland wurden die Träume des italienischen Fußball-Nationalteams von einem Coup bei der EM-Endrunde im Sommer vorerst abrupt beendet. "Es ist eine Niederlage, die uns wehtut, mit der wir nur schwer umgehen können", gab Kapitän und Goalie Gianluigi Buffon zu.

Etwas Positives konnte der 38-Jährige dem Debakel aber doch abgewinnen. "Besser so, bevor wir zu überheblich zur EM fahren. Das kann eine gute Lektion für uns sein", hoffte der Tormann-Routinier auf einen positiven Effekt. Die zuletzt noch beim 1:1 gegen Europameister Spanien überzeugenden Azzurri offenbarten in der Allianz-Arena viele Mängel. "Ich habe gesagt, dass wir solche Tests brauchen, um zu sehen, wo wir stehen. Wir wussten, dass es schwierig wird, dass wir auf Probleme treffen", schilderte der nach der Endrunde scheidende Teamchef Antonio Conte seine Sicht.

Nicht auf Augenhöhe mit den Besten

Zu Hause saß der Schock über den sichtbaren Klasseunterschied dennoch tief. "Ein Albtraum, die Deutschen fertigen uns mit vier Toren ab", titelte der "Corriere dello Sport". "Tuttosport" klagte: "Conte, was für eine Demütigung. Italien überrollt von Deutschland." Und die "Gazzetta dello Sport" mahnte: "90 Albtraum-Minuten. Die heftige Niederlage lässt für die EM die Alarmglocken schrillen."

Offensiv enttäuschte die Squadra Azzurra auf ganzer Linie, einzige Ausbeute blieb der Ehrentreffer durch einen abgefälschten Schuss von Stephan El Shaarawy (83.). Die sonst so sichere Defensive wackelte zudem bedenklich. "Wir haben Fehler gemacht, für die man auf diesem Niveau bezahlt", räumte Mittelfeldspieler Riccardo Montolivo ein. "Es gibt keinen Zweifel, dass wir uns in vielen Dingen verbessern müssen."

Vor allem reifte die Erkenntnis, es derzeit nicht mit den stärksten Teams aufnehmen zu können. "Deutschland ist die beste Mannschaft, der Weltmeister, das hat uns gezeigt, dass es in den Duellen mit solchen Teams natürlich eine Lücke gibt", gab Conte zu. Daher wachsen nun auch die Zweifel an der EM-Tauglichkeit des Kaders. "Ohne Champions kann kein Trainer Wunder vollbringen", meinte der "Corriere della Sera". Conte räumte ein: "Wir werden in den nächsten Monaten sicher nichts komplett Neues mehr aus dem Hut zaubern."

Sechs Wochen bleiben bis zur Nominierung des vorläufigen Kaders, vier Wochen später startet Italien gegen Belgien in die EM. "Wir geben nicht auf, wir werden hart arbeiten", versprach Conte, der auf die Rückkehr von Stützen wie Giorgio Chiellini und Marco Verratti hofft. Vorerst ausfallen dürfte Juventus-Abwehrspieler Leonardo Bonucci, der wegen einer Muskelverletzung vom Platz getragen wurde.

Deutschland vs. Italien: Höhepunkte.
FIGC Vivo Azzurro - Nazionale Italiana Calcio

Die Deutschen können nach dem starken Auftritt wieder gelassener in die Zukunft blicken, die 2:3-Niederlage gegen England wurde vergessen gemacht. "Es war gut, eine gute Reaktion auf das England-Spiel zu zeigen", sagte DFB-Teamchef Joachim Löw. Vom Freundschaftsspiel-Schlendrian war am Dienstagabend in München nichts mehr zu sehen. "Das war wichtig, dass wir es auch mal in einem Testspiel gezeigt haben", sagte Löw nach dem dominanten Auftritt. "Alle Spieler haben ihre Aufgabe erfüllt."

Deutsche Durststrecke endet

Toni Kroos (24.), Bayern-Reservist Mario Götze (45.), Jonas Hector (59.) und Mesut Özil (75./Elfmeter) sorgten in der Bayern-Heimstätte für klare Verhältnisse. Die Dreierkette entwickelt sich zur Abwehralternative, das Experiment mit Özil und Kroos als Tandem in der Mittelfeldzentrale ging auf. "Jetzt können wir ohne viel Druck von außen Richtung Trainingslager gehen und uns da das erarbeiten, was wir brauchen", sagte Thomas Müller, der die Mannschaft in seinem 70. Länderspiel erstmals als Kapitän anführte.

Bei der Endrunde in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli) könnte es frühestens im Viertelfinale zum Wiedersehen mit den Italienern kommen. Dass nun im Vorfeld des Turniers die lange Durststrecke im direkten Duell beendet werden konnte (mit dem ersten Sieg seit einem 2:0 in Zürich am 21. Juni 1995) passt dem DFB-Team gut ins Konzept. "Es ist natürlich schon gut, dass die Mannschaft das Gefühl hat, dass man auch Italien schlagen kann", meinte Löw mit Blickrichtung EM. (APA, red, 30.3.2016)

Freundschaftliches Länderspiel, Dienstag

Deutschland – Italien 4:1 (2:0)

Tore:
1:0 Kroos (24.)
2:0 Götze (45.)
3:0 Hector (59.)
4:0 Özil (75., Fouelfmeter)
4:1 El Shaarawy (82.)

Schiedsrichter: Oliver Drachta (Österreich)

Zuschauer: 62.653

Deutschland: ter Stegen (Barcelona, 23 Jahre/5 Länderspiele) – Rüdiger (Roma, 23/9), Mustafi (Valencia, 23/10), Hummels (Dortmund, 27/46), Hector (Köln, 25/12), ab 85. Ginter (Dortmund, 22/9) – Rudy (Hoffenheim, 26/10), Kroos (Real Madrid, 26/64), ab 90. Kramer (Leverkusen, 25/12) – Müller (Bayern, 26/70), ab 69. Can (Liverpool, 22/5), Özil (Arsenal, 27/72), Draxler (Wolfsburg, 22/17), ab 85. Volland (Hoffenheim, 23/6) – Götze (Bayern, 23/50), ab 61. Reus (Dortmund, 26/29) – Trainer: Löw

Italien: Buffon (Juventus, 38 Jahre/155 Länderspiele) – Darmian (Manchester United, 26/21), Bonucci (Juventus, 28/55), ab 61. Ranocchia (Sampdoria, 28/21), Acerbi (Sassuolo, 28/2) – Florenzi (Roma, 25/15), ab 63. De Silvestri (Sampdoria, 27/6) – Montolivo (Milan, 31/62), Motta (PSG, 33/27), ab 68. Parolo (Lazio, 31/18), Giaccherini (Bologna, 30/23), ab 69. El Shaarawy (Roma, 23/18) – Bernadeschi (Florenz, 22/2), Zaza (Juventus, 24/9), ab 78. Antonelli (Milan, 29/12), Insigne (Napoli, 24/8), ab 68. Okaka (Anderlecht, 26/4) – Trainer: Conte