Wien – Als Relikt bezeichnet zu werden ist nicht sexy. Außer man steht drauf. Ansonsten begleitet diese Einschätzung meist Friedhofsgeruch, winkt schon der Sensenmann. Wer im Pop als Relikt bezeichnet wird, gilt nach dem immer noch dominierenden Diktat der Erneuerung als mindestens scheintot. Cheap Trick ist zwar ein Relikt, aber eines, das die andere Lesart des Begriffs einfordert: Ein Relikt ist ein Überbleibsel. Etwas, das überlebt hat, sich hält. Zäh wie ein Turnschuh, hart wie Rock. Und verdammt laut. Das unterstreicht ihr neues Album, das am Freitag erscheint: Es heißt Bang Zoom Crazy ... Hello. So heißt kein Nachruf, so schallt es von der Party.

Rick Nielsen richtet sich die Fliege, während es Tom Petersson gut gelingt, nicht wie 65 auszusehen. Rechts steht Robin Zander. Zusammen ergibt das Cheap Trick, eine Fixgröße im Mainstreamrock. Ihr neues Album heißt "Bang Zoom Crazy ... Hello".

Dabei war es zuletzt ruhig um die Band aus dem US-Bundesstaat Illinois, relativ ruhig. Seit 2009 gab es kein neues Album mehr. Zwar spielte die Band exzessiv live, doch ein Rechtsstreit mit Schlagzeuger Bun E. Carlos bremste die Ambitionen der Band beträchtlich. Carlos klagte 2013 seine Kameraden, weil sie ihn zwar öffentlich als Mitglied führten, ihn aber von der Studioarbeit und den Tourneen ausgeschlossen hatten. Zwei Verfahren später gilt das Gründungsmitglied nun als nicht aktives Bandmitglied. Seine davongeschwommenen Felle drischt seit 2010 Daxx Nielsen, der Sohn des Gitarristen der Band, Rick Nielsen.

Beständige Größe

Cheap Trick sind eine beständige Größe im Oberligenrock, selbst wenn sie nicht die Verkaufszahlen von AC/DC erreichen. Wie die hart rockenden Australier klangen Cheap Trick immer frischer als viele andere. Betrachtet man sich den aktuellen Zustand von AC/DC, muss man sagen, auch frischer als die Aussies.

Als sie 1977, 78 mit den Alben In Color und Cheap Trick at Budokan zur Weltmacht im Stadionrock aufstiegen, konnte sich selbst Punk mit ihrem aufgekratzten Rock anfreunden. Der gipfelte damals in dem Song I Want You to Want Me, der Cheap Trick in ein Dutzend Hitparaden katapultierte. Es ist ein prototypischer Song. Eine viril-überdrehte Rocknummer mit Popappeal.

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Über die Jahre hat die Band ihr Image immer zart nachjustiert. Zwar gilt ihr Äußeres aus den 1970ern als eine der Vorlagen für Regisseur Rob Reiners Hard-Rock-Satire Spinal Tap. Gleichzeitig führten Cheap Trick die Ironie in das ansonsten sehr streng von sich überzeugte Fach ein. Dafür liebte sie sogar ein Misanthrop wie der junge Steve Albini. Der coverte mit Big Black nicht nur Cheap Tricks Song He's a Whore, 1998 nahm die Band mit ihm ihr 1977 erschienenes Album In Color neu auf – leider ist es nie erschienen.

Bang Zoom Crazy ... Hello tröstet uns da etwas. Man spürt, dass sich in den letzten Jahren einiges aufgestaut hat. Das musste jetzt raus. Sänger Robin Zander, pflichtschuldig mit einem ehemaligen Playboy-Playmate verheiratet, singt wie ein geiler Gott, während Nielsen die Mütze durchschwitzt und die Gitarre schindet. Ausgelegt ist diese Musik immer noch für die Überholspur und die Balz. Sabber Sabber Hey!

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Zwischenzeitlich gönnen Trick ihrem Publikum einen Titel wie When I Wake Up Tomorrow, so etwas wie eine Ballade, in der Sänger Robin Zander entfernt an David Bowie erinnert. Hübsch, doch die griffigen Rock- und Power-Pop-Songs überzeugen eher.

Blood Red Lips klingt wie aus den goldenen Tagen des Glam-Rock, Sing My Blues Away kleistert etwas mit dem Synthesizer, das hätte es nicht gebraucht. Versöhnt wird man mit einer Version von The 'In' Crowd, ein Lied, das dem Soul- und Countrysänger Dobie Gray Mitte der 1960er-Jahre einen Smash-Hit beschert hatte. Das kommt zwar auch nicht ohne Tasten aus, schiebt aber beträchtlich an. Spätestens, wenn Rick Nielsen, die ewige Geheimwaffe dieser Band, die Führung in dem Song übernimmt, wird er scharf. Ein billiger Trick, aber immer noch sehr effektiv. (Karl Fluch, 31.3.2016)