Es ist kein Witz, sondern bitterer volksrepublikanischer Ernst. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua warnte am Freitag auf ihrer offiziellen Seite in dem Mikroblog Weibo die chinesische Öffentlichkeit davor, Aprilscherze zu machen. Diese seien "weder mit unserer traditionellen Kultur noch mit den sozialistischen Grundwerten vereinbar". Der "sogenannte Narrentag 1. April" sei eine Übernahme aus dem Westen: "Wir hoffen, dass niemand Gerüchten glaubt, sie erzeugt oder verbreitet." Zu ihrer Warnung veröffentliche Xinhua eine Karikatur, in der zwei Handys zu sehen sind, auf denen die Schriftzeichen für "Gerücht" und für "Verbreitung" stehen. Eine Hand weist von oben mit Fingerzeig auf die beiden Handys, dazu der Ausruf: "Das verstößt gegen das Gesetz!"
Die Reaktion der Mikroblogger war umwerfend. Sie muckten in einer ungewollten virtuellen Aprilwitz-Revolution auf. Xinhua hatte das Verbot um 8.05 Uhr ins Netz gestellt. Die Blogger überschütteten es sofort mit ihren Kommentaren voller Spott und Hohn. Manche gingen bis an die Schmerzgrenze des Systems, dessen Zensoren offenbar noch schliefen. "Das ist der allerbeste Aprilscherz für heute", schrieb der Blogger "Kamel". Ein anderer meinte: "Der 1. April ist nur in China ein Narrentag mit sozialistischen Besonderheiten."
"Chinas größter Gerüchtemacher"
Das aktuelle Verbot sei kein Problem, meinte dagegen jemand unter dem Pseudonym "Wassermelone". In anderen Ländern "wird der Narrentag nur einmal im Jahr begangen. Dank unserer Propaganda feiern wir ihn doch jeden Tag." Ein weiterer User schrieb: Die Nachrichtenagentur Xinhua sei "Chinas größter Gerüchtemacher". Ein weiterer Blogger schrieb: "Die sozialistischen Grundwerte sind bei uns die einer Diktatur. Sie erziehen unser Volk zur Dummheit. Es soll auf dem kommunistischen Weg gehen. Aber es wandelt in Wirklichkeit auf kaiserlich kontrollierten Pfaden." Um Punkt elf Uhr war dann Schluss mit der Debatte. Die mittlerweile mehr als 3.000 Postings auf Xinhuas Weibo-Seite wurden gelöscht. Nur noch 13 harmlose Kommentare blieben stehen. Darüber stand der Hinweis: "Dieser Mikroblog darf nicht weiter kommentiert werden."
Doch war das noch nicht das Ende. Inzwischen hatten dutzende Zeitschriften und Zeitungen auf ihren Weibo-Seiten den Xinhua-Eintrag zur Gaudi ihrer kommentierlustigen Leser übernommen. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Zensoren und Bloggern ging daher weiter und bescherte der Nation allen Stoppversuchen zum Trotz einen fröhlichen Narrentag.
Kritik an Xis "Personenkult"
Der ernste Hintergrund des absurden Verbots dürfte die Angst des Parteiapparats sein, die Kontrolle über im Netz veröffentlichte Meinungen zu verlieren, sobald es einen Anlass wie den 1. April dafür gibt. In jüngster Zeit sind auf offiziellen Webseiten regierungskritische Berichte und Kommentare ominöser Herkunft erschienen und rasch gelöscht worden, die den Parteiaufpassern unter die Haut gingen. Darunter war auch ein von angeblich besorgten "alten Parteimitgliedern" verfasster Aufruf an Parteichef Xi Jinping, er solle zurücktreten. Der immer mehr zum Autokraten werdende Xi habe mit seinem Personenkult, Reideologisierung und Repression selbstherrlich viele falsche Entscheidungen getroffen, die das Land außenpolitisch isolieren und wirtschaftlich ruinieren würden.
Chinas Behörden haben im In- und Ausland vermutete Hintermänner des "Briefs" verfolgen, oder ihre Familien schikanieren lassen, ohne ihnen aber auf die Spur zu kommen. Die Episode, in der viele Beobachter ein Anzeichen für innerparteiliche Konflikte um Xi sehen, verrät zumindest eines: die Angst der Partei vor dem Verlust der Kontrolle. Die aus dem Westen übernommene Sitte, jemanden in den April zu schicken, hat in China in den vergangenen Jahren immer mehr Anhänger, besonders im Internet, gefunden. (Johnny Erling aus Peking, 1.4.2016)