Der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon ist redlich darum bemüht, den Präsidentschaftswahlkampf der Grünen für Alexander Van der Bellen zu einer Kampagne gegen die "Kronen Zeitung" umzudeuten. Er tut das auf eigene Rechnung. Reimon gibt hier ungeniert seinem Drang nach öffentlicher Wahrnehmung nach. Man nennt so etwas eine Profilierungsneurose.

Der Grüne bedient geschickt alle Social-Media-Kanäle des Internets, und auf einem davon twitterte er vor zwei Wochen: "Meine strategische Wahlkampf-Metaerzählung lautet ja: Nur wer Van der Bellen wählt, kann der 'Kronen Zeitung' den Mittelfinger zeigen." Erwartungsgemäß ist die "Krone" empört. Reimon hat sein Ziel erreicht: Er findet prominenten Platz in der Berichterstattung. Auch hier.

Der EU-Abgeordnete suhlt sich in der Anfeindung, die er jetzt erfährt, und konsequenterweise heischt er in der Folge um Solidarität, die er im Kreise der Seinen erfahren möge. Er behauptet, dass ihn die "Krone" zum Werkzeug gegen "Sascha", also gegen Van der Bellen, mache, was wohl nicht unrichtig ist; aber wahr ist auch, dass Reimon den "Sascha" zum Werkzeug in eigener Sache macht: Hier stillt einer sein Geltungsbedürfnis, egal ob das jetzt dem "Sascha" in den Kram passt oder nicht.

Vor wenigen Tagen hatte Reimon einen Artikel der "Kronen Zeitung" auf Facebook geteilt, in dem die medizinische Notlage einer Frau mit der angeblich so vorbildhaften medizinischen Versorgung von Flüchtlingen gegengerechnet wurde. Der Artikel ist ein Fall für den Presserat, die Hetze, die hier betrieben wurde, ist offensichtlich. Reimon schrieb dazu: "Ich bin kein Mediziner und kenne den Fall nicht, kann dazu also nichts sagen. Aber ich erkenne ein unjournalistisches Hetzblatt, wenn ich es sehe."

So kann man das sehen. Die schriftliche Antwort des "Krone"-Redakteurs darauf war schlicht dumm: "Aber vorkommen will ihr Chef schon in der 'Krone', oder? Ersuche dringend um Aufklärung!" Eine Steilvorlage für Reimon. Der machte das Mail umgehend öffentlich und warf sich in die Märtyrerpose. "Wow, die 'Krone' droht mir mit Boycott." Das Mail des "Krone"-Redakteurs sagt in seinem vor Arroganz strotzenden Machtanspruch zwar viel über das Selbstverständnis mancher Mitarbeiter des Blattes aus, eine Boykottdrohung gegen Reimon lässt sich daraus aber nur schwer ableiten.

Dass sich Grüne mit der "Krone" anlegen, sei ihnen unbenommen, Gründe dafür gibt es genug. Den Wahlkampf als Kampagne gegen die "Krone" instrumentalisieren zu wollen ist aber in mehrerlei Weise ungeschickt: Die Überschneidung der potenziellen Wählerschaft von Alexander Van der Bellen mit den "Krone"-Lesern mag nicht allzu hoch sein, einer Verbreiterung des Potenzials der Grünen leistet man aber keinen Vorschub, wenn man derart auf eine Politik des Mittelfingers setzt.

Der Schlagabtausch zwischen "Krone" und Reimon dient beiden zur Schärfung ihres Profils. Und natürlich passt das gut in die Kampagne, die die "Krone", wohl vom ausdrücklichen Wohlwollen der SPÖ-Spitze getragen, seit Wochen unterschwellig bis aggressiv offen gegen die Grünen und ihren Kandidaten Van der Bellen führt. Auf dieses Momentum scheint Reimon gesetzt zu haben: Das Gegeifer, mit dem sich die "Krone" jetzt über seinen "Stinkefinger" erregt, bedient wunderbar dessen Ego. Was der "Sascha" dazu sagt, ist in jedem Fall zweitrangig. (Michael Völker, 1.4.2016)