Das Wiener Hochhausprojekt Eislaufverein, im Bild ein Rendering des Architekten, ist umstritten.

Foto: Rendering Wertinvest, Isay Weinfeld

Bei einer Podiumsdiskussion vor etwa einem Jahr zum Thema Hochhäuser war sich das Panel einig: Patrick Schumacher, seit 1988 Company Director von Zaha Hadid, sah Hochhäuser als "absolute Notwendigkeit" angesichts der zunehmenden Konzentrierung der Städte. Die Tiroler Architektin Kathrin Aste verglich ihre Heimatstadt gar mit Manhattan: statt von zwei Flüssen werde Innsbruck von Bergen begrenzt, und so sei es "der logische Schritt, in die Höhe zu gehen".

Was unter Architekten, Immobilienentwicklern und ambitiösen Stadtverwaltungen populär sein mag, findet allerdings strikte Ablehnung in weiten Kreisen der Öffentlichkeit und auch bei den Experten der Unesco, die für die Prädikatisierung der Wiener Innenstadt als Weltkulturerbe zuständig sind.

Hochhäuser als Störstellen

Friedmund Hueber von der Österreichischen Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege macht in klaren Worten deutlich, was ein aktueller Bericht des Unesco-Experten Gian Carlo Barbato in diplomatischere Formulierungen kleidet: Jedes neue Hochhaus im historischen Zentrum widerspreche dem Staatsvertrag zwischen der Republik und der Unesco. Schon der Ringturm, das Gartenbaugebäude, das Intercontinental und das Hilton-Hotel beim Stadtpark erscheinen aus dieser Sicht als Störstellen.

Dass sich die Wiener Innenstadt – so wie jene von Rom, Paris, Prag und Budapest – im unruhigen 20. Jahrhundert weitgehend intakt erhielt, mag ein historischer Zufall sein, der mit der ökonomischen Stagnation der Zwischenkriegszeit zusammenhängt. Diesem Zufall eines weitgehend hochhausfreien historischen Zentrums verdankt Wien aber auch einen guten Teil seiner touristischen und bewohnerbezogenen Lebensqualität.

Neubau beim Eislaufverein

Mit dieser Tatsache sind viele zufrieden, aber nicht alle. Immer wieder flammt die Wiener Hochhausdebatte auf, und oft wird dabei so getan, als ginge es nicht bloß um etwa zwei Prozent der Fläche der Stadt, sondern um eine drohende Musealisierung von ganz Wien. Dann wieder treten die Beschwichtigungshofrätinnen und -hofräte auf und behaupten, auch die monströsesten Bauvolumina seien im Welterbegebiet zulässig. Aber das ist einfach unwahr.

Das zeigt sich angesichts des herannahenden Termins des Gemeinderatsbeschlusses hinsichtlich des Projekts der Investorengruppe Wertinvest, die vom Architekten Isay Weinfeld einen 73 Meter hohen Neubau beim Eislaufverein errichten lassen möchte.

Verzicht auf Weltkulturerbe?

In diesem Zusammenhang fällt der aktuelle Barbato-Bericht ein höflich formuliertes, inhaltlich aber geradezu vernichtendes Urteil über das Wiener Hochhauskonzept, den Stadtentwicklungsplan 2025 und den Masterplan Glacis, die im Falle ihrer Realisierung zu einer unkontrollierten Bebauungsverdichtung im Wiener Welterbegebiet und seiner Pufferzone führen würden. Der Bericht "ruft ins Gedächtnis", dass die Beziehung zwischen den historischen Bauten und der urbanen Struktur ("urban fabric") ein wesentliches Attribut der Welterbequalität darstellt, und er kritisiert "the absence of morphological coherence", die diese Planungsinstrumente kennzeichne. Mit anderen Worten: Die Wiener Innenstadt steht zwar noch nicht auf der "Roten Liste" gefährdeter Welterbestätten, aber offenbar knapp davor.

Es ist kein Geheimnis, dass manche besonders "progressive" Architekten und Stadtplaner recht gern auf die Deklarierung der Wiener Innenstadt als Weltkulturerbe verzichten würden. Auch Wolf Prix ist ein beredter Exponent dieser Haltung. Von ihm stammt unter anderem die provokatorische Aussage, er könne sich eine "Überbauung des Haas-Hauses – höher als der Stephansdom – besser vorstellen als manche anderen derzeit diskutierten Projekte". (Damit meinte er offenbar das gestalterisch sehr banale Weinfeld-Projekt und nahm gleichzeitig die Gelegenheit wahr, seinem verstorbenen Rivalen, Hans Hollein, dem Erbauer des Haas-Hauses, einen diskreten kleinen Tritt zu versetzen).

Internationale Blamage

Die Welterbeexperten der Unesco, aber auch die Wienerinnen und Wiener und viele Millionen Touristen dürften solche Forderungen nach "mutigeren Lösungen" freilich in keiner Weise teilen. Kaum jemand kommt nach Wien, um den Ringturm, das Hilton-Hotel oder eines der Werke von Coop Himmelb(l)au zu sehen. Der Verlust des Welterbeprädikats der Wiener Innenstadt wäre also nicht nur eine internationale Blamage, sondern auch eine ökonomische Dummheit. (Robert Schediwy, 5.4.2016)