Einen Cancer-Bully, also einen Krebs-Tyrann nennt Jess ihre Freundin Milly im Hollywood-Streifen "Im Himmel trägt man hohe Schuhe" in einer tragischen Schlüsselszene des Films. Seit Milly die Diagnose Krebs bekommen hat, denkt sie nur an sich selbst, nimmt keine Rücksicht auf Gefühle und Bedürfnisse ihrer Familie und ihrer besten Freundin Jess. Doch von vorne.
Jess und Milly sind seit ihrer Schulzeit unzertrennlich. Jess und ihr Freund wünschen sich schon seit längerer Zeit sehnlichst ein Kind. Milly hat bereits zwei Kinder, einen Ehemann und ist erfolgreich in ihrem Job. Gleich zu Beginn des Films erhält sie die Diagnose Brustkrebs. Fast zur selben Zeit erfährt Jess, dass sie endlich schwanger ist, erzählt aber ihrer besten Freundin nichts davon. Stattdessen ist sie für die krebskranke Milly da – bei Chemotherapie, Perücken-Shopping und nach der OP, bei der Milly beide Brüste entfernt werden.
Erst als Jess erfährt, dass Milly ihren Ehemann mit einem Barmann betrogen hat, reißt ihr Geduldsfaden und sie zeigt ihrer besten Freundin ihren mittlerweile fast unübersehbaren Babybauch. Die beiden gehen im Streit auseinander und verlieren sich aus den Augen, bis Milly erfährt dass sie Metastasen im Gehirn hat und sterben wird. Sie sucht Jess auf und entschuldigt sich. Die beiden sind wieder füreinander da, erst bei der Geburt von Jess' Baby, dann in den letzten Stunden vor Millys Tod.
Harter Test für die Partnerschaft
Der Film zeigt für Hollywood ungewöhnlich realistisch, wie Krebs sich auf das Leben eines Menschen, seine Familie und seine Freunde auswirkt. Thematisiert wird etwa die Frage, wie man Krebs und Chemotherapie seinen Kindern erklärt, welche Einschränkungen die Krankheit mit sich bringt, wie sich der Verlust beider Brüste auf die Partnerschaft auswirkt, oder wie Freunde mit der schwierigen Situation umgehen.
Besonders Sex und Krebs sind häufig Tabuthemen, so auch bei Milly und ihrem Eheman. Nach der Brust-OP können die beiden nicht mehr miteinander schlafen. "Es hängt von der Beziehung ab", sagt Barbara Sperner-Unterweger, Psychoonkologin in Innsbruck, "manche Partner wollen eingebunden sein, in anderen Fällen wird das Thema von der Patientin oder vom Partner tabuisiert."
Dass es dann – wie im Film – zu einer Affäre kommt, hält Sperner-Unterweger für möglich, freilich sei das aber nicht die Regel. "Das kommt ganz auf die Person an und darauf, wie viel Scham sie empfindet und welches Bild sie aufrecht erhalten will". Im therapeutischen Bereich habe man erst in den letzten Jahren gelernt, das Thema Sexualität aktiv anzusprechen und Patienten Unterstützung anzubieten.
Es braucht Bezugspersonen für Kinder
Ihren Kindern erklären Milly und ihr Mann den Krebs und die Chemotherapie mit einem Video. Auch auf Youtube gibt es solche Videos, die speziell auf Kinder zugeschnitten sind. Und auch an der Medizinischen Universität Innsbruck nutzt man Bilder. "Wir arbeiten mit kindgerechtem Infomaterial zum Thema 'Mama/Papa hat Krebs'. Dadurch sollen Eltern und Kinder einen besseren Zugang zum Thema finden", sagt Sperner-Unterweger. Generell sei es ratsam, Kinder in den Krankheitsprozess miteinzubeziehen, denn "alles was Kinder nicht wissen, macht ihnen noch mehr Angst." Man müsse Kindern immer die Sicherheit vermitteln, dass etwas getan werden kann und die Krankheit behandelbar ist, so die Psychoonkologin.
Diese Hoffnung gibt es für Milly am Ende nicht mehr. "Wer hilft mir bei Mädchenangelegenheiten wenn ich älter bin?", fragt ihre Tochter sie verzweifelt, als Milly ihr sagt, dass der Krebs nicht heilbar ist und sie sterben wird. "Auch in diesem Fall geht es darum, Klarheit zu schaffen", bestätigt Sperner-Unterweger, "für Kinder braucht es dann Bezugspersonen und ein stabiles Umfeld, damit sie nicht das Gefühl haben, alles alleine tragen zu müssen." Auch therapeutische Begleitung sei ratsam. "Bei kleineren Kindern ist das oft anders. Für die gehört der Tod zum Leben dazu und wird häufig gar nicht als etwas Dramatisches oder Bedrohliches empfunden". Die Botschaft "Mama ist jetzt an einem sicheren Ort", könne kleinen Kindern helfen.
Freunde stellen Bedürfnisse zurück
Eine Krebserkrankung verändert auch die Bedürfnisse und das Verhalten von Familie und Freunden. Jess hat Angst davor, Milly die guten Nachrichten ihrer Schwangerschaft mitzuteilen. Sie stellt ihre eigenen Bedürfnisse und Belange zurück. Teilweise sei das nachvollziehbar, sagt Sperner-Unterweger: "Es gibt Phasen, in denen Nachrichten – gute oder schlechte – nicht angebracht sind und für den Patienten überfordernd sein könnten, etwa wenn sich der Gesundheitszustand kürzlich verschlechtert hat. Dann ist der Patient an der Grenze seiner Kapazität, mit Dingen umzugehen."
Nach einigen Tagen oder einer Woche, könnten gerade positive Nachrichten aber auch eine Ressource sein. Zudem habe jeder – auch Angehörige und Freunde – ein Recht darauf, Nachrichten zu teilen. Sperner-Unterweger: "Es ist für ein Beziehungssystem sicher gesünder, auch in so schwierigen Situationen offen miteinander umzugehen".
Unerträglich traurig
Der Film zeigt sehr glaubwürdig, wie Betroffene und Angehörige Krebs erleben. Nachdem Milly die Brüste entfernt wurden, verbindet ihre Freundin Jess in einer berührenden Szene die Wunden ihrer Freundin. Auch dem Zuschauer wird ein Blick auf ihren versehrten Oberkörper gewährt. Später, als Milly aufgrund der Metastasen im Gehirn immer schwächer wird, und ihr Sehvermögen verliert, bekommt der Zuschauer ein realistisches Bild vom Alltag mit Krebs.
Was wie Wohlfühlkino beginnt, nimmt schnell eine ernsthafte und tragische Wendung. Denn obwohl die Geschichte mit Wortwitz versucht, die tragische Situation von Milly aufzulockern, ist dem Zuschauer nur selten zum Lachen zumute. "Im Himmel trägt man hohe Schuhe" ist ein fast unerträglich trauriger und realistischer Film über Freundschaft, Familienzusammenhalt, Partnerschaft und den Umgang mit Krebs. (Bernadette Redl, 4.4.2016)