Stockholm/Wien – Es ist zwar vorerst nur ein leichter Anstieg, aber doch eine deutliche Umkehr des Trends. Zwischen 2014 und 2015 sind die globalen Militärausgaben nach Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri erstmals seit 2011 wieder angestiegen – und das trotz eines drastischen Rückgangs des Ölpreises, was sonst meist mit gesenkten Verteidigungsbudgets einhergeht.

Besonders augenfällig ist aus europäischer Sicht der Effekt des Ukraine-Konflikts. Die Staaten in der Nachbarschaft haben im Untersuchungszeitraum des Sipri-Berichts ihre Ausgaben besonders deutlich hochgefahren. Darunter fällt ein Plus von 22 Prozent in Polen, von elf Prozent in Rumänien, 17 Prozent in der Slowakei und von 6,6, 14 und 33 Prozent in Estland, Lettland und Litauen. In der Ukraine selbst wurden plus zehn Prozent vermerkt, allerdings nach einem Anstieg von 22 Prozent im Vorjahr.

Dem steht ein Plus von 7,5 Prozent bei jenen Geldmitteln gegenüber, die Russland ausgegeben hat – wegen des gesunkenen Ölpreises liegt dieser Wert klar unter jenem, den die Moskauer Regierung noch zu Beginn des Jahres veranschlagt hatte. Seit 2006 stiegen Moskaus Verteidigungsausgaben gleichwohl um 91 Prozent.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Ukraine-Krise hat 2015 in Zentral- und Osteuropa zu Aufrüstung geführt, der Nato-Staat Polen gab um 22 Prozent mehr aus als 2014.
Foto: Reuters / Kacper Pempel

Russland fiel 2015 allerdings hinter Saudi-Arabien zurück. Das absolutistische Königreich hat seine Ausgaben vor allem wegen des Eingreifens im Jemen trotz des Ölpreisverfalls im Vergleich zu 2014 noch einmal um 5,7 Prozent auf 87,2 Milliarden US-Dollar gesteigert – das ist fast doppelt so viel wie 2006. Der Wert entspricht 13,7 Prozent des BIP. Das ist unter jenen Staaten, die in den Top Ten der Rüstungsausgaben im Vergleich mit der weltweiten Wirtschaftsleistung rangieren, deutlich der Spitzenwert.

An der Spitze der globalen Ausgaben tat sich wenig: Die USA gaben 2015 immer noch mit Abstand am meisten für Verteidigung aus. Der Wert von 596 Milliarden US-Dollar ist allerdings ein leichter Rückgang, verglichen mit dem vergangenen Jahr (minus 2,6 Prozent) und auch im Zehnjahresvergleich seit 2006 (minus 3,9 Prozent).

Zuwachskönig China

Beides kann man vom Zweitplatzierten nicht behaupten: China hatte im Jahr 2015 zwar den geringsten Zuwachs seit mehreren Jahren, gab aber dennoch im Vergleich zum Vorjahr etwa 7,4 Prozent mehr für Militäraufwendungen aus als im Jahr zuvor. Seit dem Jahr 2006 ist China damit innerhalb der Top 14 jenes Land mit dem zweitgrößten Anstieg: Dieser liegt bei 132 Prozent – und damit nur knapp hinter jenem der Vereinigten Arabischen Emirate (plus 136 Prozent). Dass sich mehrere Staaten in der Region von Chinas neuem Selbstbewusstsein bedroht fühlen, spiegelt sich auch in den Militärausgaben wider: Besonders Indonesien, Vietnam und die Philippinen – aber auch Australien und Neuseeland – haben im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr in Verteidigung investiert.

Besonderen Niederschlag findet der gesunkene Ölpreis vor allem in Afrika. Auf den gesamten Kontinent gerechnet, sanken die Ausgaben dort im vergangenen Jahr um 5,3 Prozent; vor allem deshalb, weil das äußerst ölabhängige Angola weniger Geld zur Verfügung hatte. Weil die Aufwendungen afrikanischer Staaten zuvor über Jahre gestiegen waren, liegen sie dennoch im Vergleich zu 2006 mit 68 Prozent im Plus. In diversen Staaten des Nahen Ostens lassen sich die Auswirkungen des Ölpreises auf die Militärausgaben nicht feststellen: Sipri erstellte keine Schätzung für die Region, da die Daten in vielen Fällen nicht verfügbar seien.

Österreich kommt weder in den Top 14 der größten Zuwächse noch in jenen der größten Einsparer vor. Allerdings gab Wien 2015 im Vergleich zum Vorjahr weniger Geld aus. 2,29 Milliarden Euro sind der niedrigste Wert seit 2009 und mit 0,7 Prozent des BIPs der niedrigste Anteil an der Wirtschaftsleistung seit 1988. (Manuel Escher, Markus Hametner, Noura Maan, 5.4.2016)