Alles, was das eigene Bezugssystem erweitert, würde ich als Inspirationsquelle bezeichnen. Was das eigene Bezugssystem ist? Alles, woraus ich schöpfen kann. Das kann eine fremde Stadt sein, ein Gemälde, Menschen. Meine Analogie dazu ist eine Art Pool, in den ständig Neues hineingeschöpft wird. Der Pool befindet sich in meinem Kopf und kennt keine Maximalfüllung.
Menschen und Kunst sind meine wichtigsten Inspirationsquellen. Was ich schätze, ist ein schneller, gedanklicher Austausch. Dabei kann es ums Essen genauso gehen wie um den Film, den man am Vorabend gesehen hat, um die Arbeit, die einen gerade beschäftigt. Wenn ein Gegenüber für eine Idee brennt, sich für etwas begeistert, ist das meistens inspirierend.
Mit wem ich mich treffe, die Wahl einer Zeitung oder eines Buches, diese Entscheidung erfolgt sehr bewusst. Was man aus diesem Austausch mitnimmt, all das, was man verwerten kann, das geschieht allerdings unter der Oberfläche.
Kunst bietet hier immer wieder Schlüsselerlebnisse. Seit ich vor gut zehn Jahren am Wiener Burgtheater die "Matthäusexpedition" von Christoph Schlingensief gesehen habe, fasziniert mich dieses Stück. Die Auflösung des regulären Theaterablaufs, dieses Weg vom fixen Sitzplatz, von der Pause, der Bühne, der Wechsel von Schauspielerei und Wirklichkeit, die Ablehnung einer geschlossenen Handlung. Darin sehe ich auch eine Parallele zum zeitgenössischen Design, das längst nicht mehr nur aus einer geschlossenen Handlung, sprich der Gestaltung eines Produktes, besteht, sondern viel mehr kann.
Müllvermeidung
Ich möchte an dieser Stelle gern einen Ort erwähnen, der mich besonders inspiriert hat, nämlich die Backstube Felzl im siebten Wiener Bezirk. Ausgehend von der Tatsache, dass Lebensmittel heute einen sehr großen Teil unseres Müllberges ausmachen, ging es darum, Ideen zu entwickeln, die diesem Problem ein Stück weit entgegensteuern.
Das Ziel des interdisziplinären Teams lautete, Brot, das nicht verkauft wurde, nicht im Müll landen zu lassen, sondern neue Produkte zu entwickeln. Es handelte sich dabei also um einen partizipativen, entwerferischen Prozess.
Unterm Strich herausgekommen sind ein Brotautomat und die Brotchips Felzolini. Aus Lebensmittelabfällen sind ein Produkt und ein neuer Vertriebsweg entstanden. Seit es die beiden Lösungen gibt, werden im Betrieb 50 Prozent weniger Backwaren weggeschmissen. Für diese Geschichte war es unglaublich beflügelnd, sich anzusehen, wie die Angestellten in einer Bäckerei arbeiten.
Den Kreislauf bremsen
Das Ganze fühlte sich an, als wäre man Tourist in einer fremden Welt. Bäcker beginnen um 22 Uhr zu arbeiten. In der Backstube ist es heiß, dann sind da all diese Gerüche, die verschiedenen Abläufe und Geräusche. Für Schreibtischarbeiter ist das natürlich spannend.
Und dann wird einem plötzlich die Ironie des Kreislaufs, der hier stattfindet, bewusst. Auf der einen Seite steht Brot für etwas Frisches, auf der anderen Seite stehen im Hinterhof der Backstube Müllcontainer, wo das nicht verkaufte Brot landet. Diesen Kreislauf galt es zu bremsen.
In Sachen Inspiration geht es immer wieder darum, weiterzudenken, Ideen neu zu verknüpfen. Nehmen wir einen Film. In "Broken Flowers" von Jim Jarmusch spielt Bill Murray einen Mann, der aufbricht, um seine Verflossenen zu besuchen, die kreuz und quer in den USA lebten. Ich stelle mir die Frage: Wie kann man diese Idee auf ein Tourismus- oder Ausstellungskonzept ummünzen? Die Kernidee lautet, sich mit Vergangenem zu konfrontieren. Eine Idee ist wie eine Formel im Kopf. Die Inspiration ist die fehlende Variable. (Michael Hausenblas, RONDO, 8.4.2016)