Fuhrmann in der Josefstadt: ein dezidiert bürgerlicher Rahmen, um dem Wunder Wein nachzuspüren.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ofenerdapfel mit Ochsenmark und Frühlingskräutern.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Essen und Wein, die Kombination hat sich in den vergangenen Jahrtausenden recht eindeutig durchgesetzt. Okay, viele Amerikaner haben das noch nicht mitgekriegt, und der Islam verzichtet aus Prinzip darauf, das Heilige im Wein zu ergründen. Die unerreichten Chefs der Kunst, einer Speise Wein so zur Seite zu stellen, dass beide aneinander wachsen, sind seit jeher die Franzosen.

Vielleicht ist Hermann Botolen deshalb so ein großer Freund französischer Weine. Der Sommelier ist nämlich mit einer raren Sensibilität ausgestattet, die Korrespondenzen zwischen dem Flüssigen und dem Festen zu ergründen.

Diese Kunst hat er in zahlreichen Restaurants der obersten Kategorie perfektioniert, im neuen Fuhrmann – dem vormaligen Hohensinn in der Josefstädter Fuhrmannsgasse – tut er dies erstmals in einem eigenen Lokal. Man muss nun nicht mehr einen erheblichen Teil des Monatsgeldes zur Seite schaffen, um das auch einmal zu erleben, wiewohl die außerordentliche Weinkarte natürlich verleitet, sich auch in die luxuriösen Gefilde zu verirren.

Glasweise große Weine

Aber was Botolen dem fünfgängigen Menü um 56 Euro zur Seite stellt, wenn man die Weinbegleitung um 38 Euro dazu wählt, zeigt seine Gabe auf sehr leistbare Weise auf. Auch sonst hält der Mann stets eine Fülle an Weinen, die ihre Wahlverwandtschaft mit den anderen Gerichten der Karte eindrücklich darlegen, glasweise bereit. Aber klar: Wer grundsätzlich etwas dagegen hat, auch einmal elf Euro für ein Glas gereiften Burgunders zu veranschlagen, wird hier Gelegenheit finden, sich über frivole Lebensfreude zu alterieren.

Wie Botolen etwa ein mild-fruchtiges Räucherfischtartare mit dem Chenin blanc "Fragile" des Naturweinguts La Grange aux Belles von der Loire kombiniert, zeigt seine Fähigkeit exemplarisch auf: Wirkt der Wein auf den ersten Schluck zwar wunderbar straff und mineralisch, aber auch recht reduktiv, so offenbart er nach dem ersten Bissen plötzlich duftige Eleganz – fantastisch.

In der Küche steht mit Sascha Hoffmann ein Koch, der zuletzt im – weinmäßig auch sehr fitten – Floh in Langenlebarn als Sous-Chef gewerkt hat. Bei Botolen ist er offenbar angehalten, sich mit kreativen Kombinationen zurückzuhalten und eine dem Ambiente des Lokals entsprechende, dezidiert konservative Linie zu kochen – umso mehr darf man sich darauf freuen, dass der charmante Hofgarten demnächst bezugsfertig sein soll.

Junges Gemüse

Ohne Sättigungsbeilage kommt auch beim Menü keine Hauptspeise zu Tisch, manches aus der großen Karte wirkt noch etwas hastig zusammengekocht – die bereits avisierte Verstärkung der Küchenmannschaft sollte da Abhilfe schaffen.

Was Hoffmann schon gut draufhat, ist der Umgang mit Gemüse. Fein gewürfelter Kohlrabi in zart gekräutertem Saft schmiegt sich sehr angenehm an ein leicht übergartes Filet vom Seesaibling, auch die Roten Rüben zu den Topfentascherln in brauner Butter überzeugen durch animierende Säure und guten Biss. Richtig gut: Linsen mit Bittersalaten, die man in ähnlicher Form von Floh kennt. Noch besser: der Sauvignon Blanc von Knipser aus der Pfalz, den Botolen sich dazu ausgeknobelt hat.

Ofenerdapfel mit Ochsenmark und Frühlingskräutern (siehe Bild) hört sich nach einer perfekten Kombination an, eine Knolle von der mehligen Sorte hätte dem fetten Mark aber mehr Luftigkeit zur Seite gestellt als die dezidiert speckige, die Hoffmann dazu serviert.

Dafür ist sein Kalbsbries mit Topinamburcreme und geschmortem Mangold ein prachtvolles Gericht, der Chenin blanc Le Mont von Huet aus Vouvray, den Botolen dazu einschenkt, komplettiert die Freude daran mit subtiler, eleganter Fruchtigkeit. (Severin Corti, RONDO, 8.4.2016)