Architekt und Designer Martin Mostböck in der Motorradwerkstatt der 2Rad Börse Süd. Dieser Ort inspirierte ihn zu Details seines "Flaxx Chair" (Moroso).

Foto: Nathan Murrell
Fotos: Nathan Murell

Für mich ist eine Fahrt mit dem Motorrad Inspiration pur. Ich muss nur zehn Minuten durch die Gegend fahren, und schon ist sie da. Besonders, wenn der sechste Gang ins Getriebe einrastet. Sie ist ein Mittelding zwischen Antrieb und Entspannung. Ich merke sofort, wenn ich inspiriert bin, auch wenn es sich dabei um etwas Unterbewusstes handelt.

Man überlegt sich Dinge, sieht sie klarer und immer klarer. Plötzlich passen zwei oder drei Teile zusammen, die vorher nicht ineinander gepasst haben. Es ist wie ein großes Puzzle. Ich glaube, Inspiration ist sehr eng mit Instinkt verwandt. Diesem gilt es zu folgen, um Neues kreieren zu können. Natürlich muss man sich auch etwas trauen.

Inspiration ist auch eine Form von Emotion, ein Gefühl, das ein gutes Produkt widerspiegelt. Früher nannte man die Inspiration Musenkuss. Ob man in den Genuss eines solchen kommt, ist ein Stück weit Glückssache. Ich locke dieses Glück, indem ich Zustände herbeiführe. Das funktioniert auch beim Windsurfen. Wenn die Muse quasi auf dem Brett mitsurft, muss man das Objekt anschließend nur mehr aufzeichnen. Solche Dinge passieren. Das ist dann ein Musen-Quickie. Dem gegenüber steht die Routine. Alles, was täglich gleich abläuft, wird zum Musenkiller Nummer eins.

Wo der Ursprung dieser Beflügelung liegt, ist schwer zu sagen. Bei mir hat die Sache etwas mit Eindrücken aus meiner Jugend zu tun, die während Phasen der Inspiration auftauchen. Ich rieche frisch gemähtes Gras oder den Geruch verbrannter Äste. Die Bilder kommen, und ich spüre, dass sie mir guttun. Klingt spooky, oder?

Musenküsse

Ob das romantisch ist, weiß ich nicht. Beim Busfahren küsst mich jedenfalls selten die Muse. Ironie darf übrigens auch nicht fehlen. Ohne Ironie gibt's keine Inspiration. Deshalb verehre ich auch die großen alten italienischen Meister wie Sottsass, Castiglioni und Mendini. Denken Sie nur an den Traktorsitz von Castiglioni.

Im Falle meines Flaxx Chair, den man auf dem Bild sehen kann, stand zu Beginn lediglich die Idee, einen vierbeinigen Freischwinger zu entwerfen. Der Ort, der mich zu der Verbindung der Stuhlbeine inspirierte, war eine Motorradwerkstatt, in der eine Ducati-Rennmaschine stand. Die zusammengeschweißten Beine meines Sessels hab ich der Hinterradschwinge dieses Motorrads abgeschaut.

Abschauen ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Es war einfach die Art, wie dieses Bauteil des Bikes verarbeitet wurde, die mich zu den Beinen inspirierte. Die Schwinge der Ducati nimmt Kräfte auf und gibt sie auch wieder ab. Genau wie bei meinem Stuhl. So einfach ist das. Und dann auch wieder nicht.

Die Werkstatt als Sinnbild

Natürlich setzt all das ein gewisses technisches Verständnis voraus und Leidenschaft für Motorräder. Die Werkstatt steht für mich als Sinnbild für beides. Vielleicht hat auch der Geruch der Werkstatt zum Möbel beigetragen. Gut möglich.

Die Schale aus einem natürlichen, nachhaltigen Material, nämlich Flachs, ist dabei kein Widerspruch. Auch sie ist eine hochtechnologische Angelegenheit. Das Verhältnis zwischen Technik und Inspiration vergleiche ich mit dem zweier Freunde. Sie können sich aber auch als spinnefeind entpuppen. Das passiert, wenn sie nicht zusammenpassen.

Jetzt hätt ich es fast vergessen: Auch Musik inspiriert mich sehr. The Who zum Beispiel. Ich denke, Musiker haben es in Sachen Inspiration am allerbesten erwischt, zumindest bei Live-Auftritten. Sie bekommen die Inspiration ohne Zeitverzögerung vom Publikum im selben Moment als Emotion zurück, da sie auf der Bühne stehen. Wahrscheinlich treten deshalb auch die Rolling Stones noch immer auf. Bei einem Sessel funktioniert das leider noch nicht so flugs, aber ich arbeite daran. (Michael Hausenblas, RONDO, 8.4.2016)