Inspiration ist so wie Recherche Teil meiner Arbeit. Ich versuche mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, betrachte die Dinge um mich und speichere so manches davon ab. Ich denk' mir, irgendwann werde ich es vielleicht einmal für meine Arbeit brauchen können.
Oft sind es lediglich Details, die hängenbleiben. Das kann die Machart einer Parkbank sein, die Tankstelle aus dem James-Bond-Streifen "Diamonds Are Forever", der Gartensessel, auf dem Marcello Mastroianni in "8 1/2" sitzt, oder die Art, wie Container im Hafen Freudenau gestapelt sind, die mich an Lego erinnern.
Kommt es zu einer wirklich guten Begegnung, zücke ich meine Kamera. Die Fotos wandern dann in mein zu platzen drohendes Inspirationsarchiv, das ich regelmäßig sehr aufmerksam durchforste.
Eine solche Begegnung mit was auch immer ist sozusagen der Auftakt zur Inspiration. Diese ist stets mit dem Gefühl der Freude, mit einer kleinen Euphorie verbunden. Ich denke, im Angesicht von schönen Details so zu empfinden, ist eine Eigenheit von Designern.
Oft weiß ich zum Zeitpunkt einer solchen Begegnung noch gar nicht, was ich mit dem Ding, das da plötzlich auftaucht, anfangen soll. Es kann übrigens durchaus sein, dass solche Inspirationsraubzüge leer ausgehen. Am reichhaltigsten fällt die Beute in der Regel in fremden Städten und Ländern aus, wo man so vieles sieht, das anders gestaltet wurde.
Griechischer Wein
Die Inspiration zu der Wasserkaraffe, die auf dem Foto zu sehen ist, bekam ich zwar nicht im Ausland, aber immerhin in einem griechischen Beisl am Karlsplatz, wo ich des Öfteren zum Mittagessen zu Gast bin. An dem Lokal mag ich, dass es für uns Österreicher irgendwie griechisch exotisch wirkt, für den Wirt aber eine völlig normale alltägliche Umgebung darstellt, so wie für mich eine Bregenzerwälder Wirtsstube.
Jedenfalls bin ich dort diesem kupferfarbenen, zerbeulten Aluminiumkrug begegnet, in dem der Weißwein serviert wurde. Ich war vom ersten Augenblick an hingerissen von dem Objekt. Einerseits beamte es mich irgendwie nach Griechenland, andererseits empfand ich dieses becherartige, einfache und industriell hergestellte Gefäß gewissermaßen als Antithese zu vielen Weinkaraffen, die bei uns verwendet werden. Anders formuliert: Mir gefällt, dass dieser Wirt nicht so ein Gschisti-gschasti um seinen Wein macht.
Der Alukrug und die ganze Umgebung haben mich in weiterer Folge zu einer gläsernen Karaffe inspiriert, mit der ich einen Wettbewerb für eine Vorarlberger Wasserkaraffe gewinnen konnte. Ich denke, mein Objekt mit seinem becherartigen Hals verfügt über einen ähnlich selbstverständlich-unkomplizierten Charakter wie das Gefäß beim Griechen.
Rationaler Zugang
Trotz der kindlichen Freude, die ich empfinde, wenn mir etwas begegnet, das mir gefällt, würde ich meinen Zugang als sehr rational bezeichnen. Das hat nichts mit künstlerischer Romantik zu tun, auch nichts mit Intuition. Es geht um eine Recherche, darum, Dinge, die bereits existieren, gedanklich zu drehen und zu wenden, also zu hinterfragen. Ich würde diese Aktivität als mein Steckenpferd bezeichnen.
Interessant ist das Feedback, das ich immer wieder von Betrachtern meiner Objekte bekomme. Da werden mitunter die fantasievollsten und emotionalsten Ideen auf ein Projekt projiziert, die mir nicht einmal ansatzweise gekommen wären.
Ich finde das spannend, denn es zeigt mir, wie rational ich eigentlich ticke. Letztendlich lassen sich all meine Objekte aus anderen, bereits bestehenden ableiten. Aus einem Brunnen, einer Bauerntruhe, den Dachgiebeln vor meinem Bürofenster oder einer Szene aus einem Hitchcock-Film. (Michael Hausenblas, RONDO, 8.4.2016)