Übersetzerin in Leichte Sprache: Laister, Seisenbacher (von links).

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"Wer alt ist, braucht nicht mehr arbeiten gehen. Dann bekommt man Geld vom Staat. Das Geld kommt von allen Menschen, die arbeiten gehen." Drei Sätze erklären das Wort Pension. Der Begriff "Jurist/Juristin" braucht sieben Sätze – dafür bleiben nach der Lektüre keine Fragen offen.

Die Bundespräsidentschaftswahl, leicht verständlich erklärt: Das bietet der Wiener Verein Leicht Lesen in Kooperation mit der Lebenshilfe Wien. Alle Informationen sind online abrufbar. Auf 56 DIN-A4-Seiten bieten Leicht-Lesen-Gründerinnen Maria Seisenbacher und Elisabeth Laister kompakte Infos zum Wahlvorgang und zu den Eckpunkten der Kandidatenprogramme.

Staat muss es anbieten

Das ist keine Liebhaberspielerei, sondern staatliche Aufgabe: Österreich hat sich in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dazu verpflichtet, Informationen frei zugänglich zu machen. Auf Wahlen umgelegt heißt das: Auch Wahlberechtigte mit kognitiven Einschränkungen müssen sich die wichtigsten Infos zu Urnengängen ohne fremde Hilfe beschaffen können. Österreich hat sich verpflichtet, dieses Recht ab dem Jahr 2020 zu gewährleisten. Seisenbacher und Laister füllen einstweilen diese Lücke. Förderungen erhalten sie dafür nicht.

Rund 64.000 Wahlberechtigte haben laut Schätzungen des Sozialministeriums eine Lernschwäche oder geistige Probleme. Die Gesamtzahl aller Wahlberechtigten, die mit den kompliziert formulierten Informationen nicht umgehen können, liegt aber wohl darüber.

Ein Gedanke pro Satz

Leichte Sprache folgt fixen Standards: Kurze Sätze, nur ein Gedanke pro Satz, keine Fremdwörter, außerdem eine Schriftgröße von mindestens 14 Punkt und einfach lesbare Schriftarten. Texte in dieser Sprache zielen somit auch auf Menschen mit Sehbeeinträchtigungen ab. Jede Übersetzung besteht aus zwei Teilen, aus der Übertragung in die einfachere Sprache und aus der Abnahme durch eine Prüfgruppe. Ein Text gilt erst dann als fertig übersetzt, wenn er von mehreren Betroffenen gegengelesen wurde. Im Fall der Bundespräsidentschaftswahl-Broschüre bestand die Prüfgruppe aus Menschen mit Lernschwierigkeiten, die auf unverständliche Passagen hinwiesen und Korrekturen vorschlugen.

Je abstrakter und schwammiger ein Text, desto schwerer sei er zu übersetzen, so die Expertinnen. Von allen Hofburgkandidaten habe Norbert Hofer (FPÖ) den Übersetzerinnen das größte Kopfzerbrechen bereitet, sagt Seisenbacher: Hofer verwende "viele Begriffe, unter denen jeder etwas anderes versteht", wie etwa Kultur oder Tradition. Zudem seien einige dieser Begriffe "emotional stark aufgeladen". Etwa der Begriff der Wirtschaftsflüchtlinge: "Man muss den Begriff zuerst objektiv erklären, darf aber auch nicht verschweigen, für welche Konflikte er sorgt."

Leichte-Sprache-Texte richten sich auch an Menschen mit Deutsch als Zweitsprache, deren Sprachkenntnisse für kompliziertere Texte noch nicht ausreichen. Je nach Adressatenkreis eines Textes wird auch die Prüfgruppe variiert: Übersetze man beispielsweise Infos für Flüchtlinge, setze sich auch die Prüfgruppe aus Flüchtlingen zusammen. So können auch kulturelle Missverständnisse vermieden werden. Wobei Leichte Sprache kein Ersatz für Standardsprache sei, sondern eine Ergänzung, betont Laister. Für viele sei sie "ein Anreiz, sich überhaupt hinzusetzen und zu lesen". (Maria Sterkl, 6.4.2016)