Im Spitzensport hängen die Trauben hoch. Dafür sind sie besonders süß. Wenn Lionel Messi über ein Tor jubelt oder Novak Djokovic ein Ass schlägt, entzückt das die Massen und bewegt gleichzeitig die Konten. Sport ist in der Gesellschaft längst angekommen, hat sich fest verankert, stellt Arbeitsplätze und Freizeitgestaltung. Brot und Spiele sind ihre eigene Industrie geworden, die mit Ruhm und Reichtum lockt. Verlockend ist vor allem der Reichtum.

Leistungen von Spitzensportlern sind nachvollziehbar, fast jeder hat selbst schon einmal mit einem Ball gespielt oder ist auf Skiern eine Piste runtergefahren. Wieso Banker ein paar Millionen auf dem Konto haben, weiß man eigentlich nicht so genau. Bei Lionel Messi, dem Fußballstar, ist das durchsichtiger. Er spielt eben besonders gut Fußball. 2015 hat er rund 65 Millionen Euro verdient.

Mit dem Geld kommt, wie so oft, die Gier. Spitzensport galt über lange Zeit, im Vergleich zu Politik oder Wirtschaft, als unbefleckter, vielleicht weil unbedeutender. Brot und Spiele sind Ablenkung und gesellschaftliches Refugium und sollten das auch bleiben. Aber mit Geld und Gier kommen wie so oft die Skandale.

Die Utopie der Sauberkeit

2015 wurde öffentlich, was schon viele immer wussten, zu wissen glaubten oder sich nicht anders vorstellen konnten. Die Fifa, also der Fußballweltverband, ist von Korruption durchzogen. Es geht um die Vergabe von Großveranstaltungen und die Besetzung von Entscheidungsträgern. Millionen wurden verschoben. Es gab Festnahmen und Rücktritte. In den kürzlich veröffentlichten Panama Papers ist die Fifa freilich dabei. Dass über Jahrzehnte im Spitzentennis betrogen wurde, kam dafür überraschender, als es sich vermuten ließ. Leichtathletik und Radsport suchen sowieso ihre Wege aus den Dopingsümpfen. Die Sauberkeit des Sports ist mittlerweile Utopie.

Diejenigen, die von einem sauberen Sport träumen, geben sich Mühe: Sie sitzen in Anti-Doping-Agenturen, Ethikkommissionen und Aufsichtsräten. Bei Transparency International, einer Organisation zur Aufdeckung von Korruption, hat man Vorschläge für den Sport: unabhängige Gremien, mehr Transparenz bei den Finanzen aller Sportverbände oder stärkere Einbindung der Bevölkerung in der Bewerbung um Großevents. Klingt super, sollte aber doch schon längst Realität sein. Dass die Fifa, ein Unternehmen, das 2014 2,1 Milliarden Euro umgesetzt hat, jahrelang vor sich hin korrumpieren konnte, ist ein Brett vor die Köpfe der Utopisten.

Kuchenstücke

Eigentlich wäre das Prinzip ja recht einfach: Der, der schneller läuft, höher springt oder am besten mit dem Ball spielt, bekommt am meisten Geld – die Nachvollziehbarkeit in allen Ehren. Im Spitzensport gibt es aber mehr Faktoren und damit mehr Möglichkeiten, sich zu profilieren und Geld zu verdienen. Wer steckt hinter dem Erfolg? Wo findet der Erfolg statt? Wer darf den Erfolg sehen?

Vielleicht sind die Trauben ja doch zu süß und zu verlockend. Wenn es weniger zu holen gibt, gibt es weniger, die sich etwas holen wollen. Die Relation zwischen Leistung und Entlohnung ist nahezu ungreifbar. Lionel Messi hat 2015 65 Millionen Euro verdient. Auch er scheint in den Panama Papers auf: Die Briefkastenfirma, die auf seinen Vater und ihn läuft, heißt passenderweise "Megastars Enterprises". Schon zuvor wurde ihm vorgeworfen, Steuern hinterzogen zu haben. Die Gier macht auch vor denen, die fast schon alles haben, keinen Halt.

Dem Spitzensport deshalb die gesellschaftliche Bedeutung abzusprechen ist grundsätzlich falsch. Zu groß ist seine Macht, auch als Wirtschaftsfaktor. Eine Aufwertung, zumindest in die Nähe von Politik und Wirtschaft, hätte schon viel früher passieren müssen. Damit man den Sport auch dort fassen kann, wo seine Hauptschwäche derzeit liegt: in der Profitgier. (Andreas Hagenauer, 6.4.2015)