Familienministerin Sophie Karmasin und Psychologe Christoph Hackspiel wollen Bewusstsein für psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen schaffen.

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Nur ein Prozent aller Kinder bekommt eine Therapie, obwohl laut Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) jeder fünfte Jugendliche von einem psychischen Problem betroffen ist. Sie fordert anlässlich des WHO-Weltgesundheitstages am 7. April eine bessere psychotherapeutische Versorgung für Kinder und Jugendliche.

18,9 Prozent aller Zehn- bis Achtzehnjährigen leiden laut dem Vorergebnis der MHAT-Studie (Mental Health in Austrian Teenagers) demnach psychisch. "Dabei ist der subjektive Eindruck, übergewichtig zu sein, sehr stark ausgeprägt", ergänzte Karmasin. 56 Prozent der Burschen und 77 Prozent der Mädchen zwischen elf und 15 Jahren fühlen sich zu dick, sind aber nach ihrem Body Mass Index normal- oder gar untergewichtig.

Im Bereich der Psychotherapie sei insgesamt von einem höheren Bedarf auszugehen, sagte die Familienministerin, die Kapazitäten müssten daher ausgebaut werden. Denn nur 31 Ärzte mit dem Sonderfach Kinder- und Jugendpsychiatrie gab es laut Ärztekammer im Jahr 2013. Dieses Anliegen will sie mit Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) besprechen, kündigte Karmasin an. Auch die Auswertung der schulärztlichen Untersuchungen wurde von ihr gefordert, denn "hier liegt ein großer Datenschatz brach."

"Oft zu spät dran"

Ebenso gilt es die Vorbeugung zu verstärken, denn "wir sind oft zu spät dran", sagt der Psychologe und Vorstand der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, Christoph Hackspiel. "Daher brauchen wir Schutzfaktoren, die psychische Erkrankungen minimieren oder im besten Fall verhindern". Für Hackspiel ist es notwendig, dass ein Ausbau der präventiven Hilfen erfolgt, ebenso müsse die Elternkompetenz und die psychische Widerstandsfähigkeit der Kinder gestärkt werden.

Vernachlässigung oder Demütigungen äußern sich im Extrem sonst etwa in selbstzerstörenden Handlungsweisen. "Kinder sind grundsätzlich wie Seismographen unserer gesellschaftlichen Entwicklung", gibt Hackspiel zu Bedenken. So würden Kinder auch die Stimmung der Eltern, deren Hektik und Stress, mitbekommen. "Eltern, die unter Druck sind, brauchen daher ein erweitertes Netzwerk. Kinder spüren die Überforderung ihrer Eltern deutlich, weil sie von ihnen den emotionalen Druck übernehmen", sagte der Experte zur APA. Kinder ziehen sich dann entweder zurück, oder werden selbst hektisch bis aggressiv, und "das ist ein Alarmsignal".

Nicht zuletzt leiden nicht nur die Betroffenen an den Folgen ihrer Beeinträchtigungen, erläuterte Hackspiel, denn diese führen auch zwangsläufig zu höheren Gesundheitskosten oder Arbeitsausfallskosten im Erwachsenenalter: Eine psychiatrische Erkrankung bei Kindern oder Jugendlichen erhöht demnach das Risiko um das Dreifache, an dieser als Erwachsener erneut oder weiterhin zu leiden. (APA, 6.4.2016)