Bregenz – Eine Mülldeponie im Ried, rundherum geschützte Gebiete, zum Teil sogar mit dem europäischen Siegel Natura 2000. Deponieabwässer, die das Grundwasser und benachbarte Gewässer tangieren und in die öffentliche Kläranlage gepumpt werden. Die Abfallentsorgung im Müllmusterländle scheint nicht auf der Höhe der Zeit zu sein, wie ein Umweltskandal nun aufzeigt. Tausende Tonnen Abfall wurden in Lustenau illegal vergraben. Der Häusle-Müllberg, wie Vorarlbergs größte Deponie genannt wird, beschäftigt neben Staatsanwaltschaft und Sachverständige nun auch den Vorarlberger Landtag.

Am Mittwoch tagte erstmals der Kontrollausschuss hinsichtlich des größten Umweltskandals in Vorarlberg. Das einzige Ergebnis des Kontrollausschusses: Es wird einen weiteren Ausschuss geben. Und der wird, wie der erste, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Ein Antrag der SPÖ auf Öffentlichkeit wurde von ÖVP und Grünen abgelehnt. Die Causa sei ein Kriminalfall und damit Sache der Staatsanwaltschaft, lautet die Begründung der Regierungsparteien.

Beteiligung des Landes

Im Ausschuss traf mit Illwerke/VKW-Vorstand Christof Germann ein Vertreter der früheren Häusle-Besitzer auf den aktuellen Geschäftsführer Thomas Habermann. Beide Herren haben ein klares Ziel: so viel Verantwortung wie möglich abzuwälzen, schließlich geht es um Haftungsfragen in Millionenhöhe.

Eine Mitverantwortung der Landesfirma VKW und damit auch der Landesregierung auszuschließen ist ganz im Interesse der Volkspartei.

1998 hatte die VKW den Abfallentsorger Häusle von der Lobbe MTU um 18 Millionen Euro gekauft, um das Deponievolumen für das Land zu sichern. 2007 verkaufte die VKW Häusle an ein Vorarlberger Firmenkonsortium um 36 Millionen Euro. Die erhofften Synergien zwischen Energieversorgung und Abfallentsorgung hätten sich nicht realisieren lassen. Außerdem seien Unternehmenskultur und Geschäftspraktiken stark unterschiedlich, sagte der damalige Landeshauptmann Herbert Sausgruber (VP) in einer Anfragebeantwortung an die Grünen.

Fragwürdige Geschäfte

Die Geschäftspraktiken sind auch aktuell ein Thema. Wer wie lange auf dem Areal Kunststoffmüll und gefährliche Abfälle vergraben hat, ist noch ungeklärt. Sie SPÖ spricht von einem Foto, das illegale Machenschaften im Jahr 2005 zeigt. SPÖ-Umweltsprecher Reinhold Einwallner: "Sollte sich die Datierung des Fotos bestätigen, müssen wir die Rolle der VKW in diesem Kriminalfall neu bewerten."

Für die Grünen stehen die politisch Verantwortlichen für das Desaster bereits fest. Grünen-Klubobmann Adi Gross: "2004 wurde das Abfallwirtschaftsgesetz von der schwarz-blauen Bundesregierung liberalisiert. Mit dieser Novelle wurde weitgehend die Selbstkontrolle zum Standard in der Abfallwirtschaft." Umweltlandesrat Johannes Rauch (Grüne): "Das Gesetz wurde zugunsten der Abfallwirtschaft gezimmert, man muss über eine Nachschärfung nachdenken."

Gesetz ermöglicht Selbstkontrolle

Die Lizenz zur Selbstkontrolle treibt man bei Häusle auf die Spitze: Jenes Unternehmen, das die routinemäßigen Proben bei Häusle analysiert, ist auch Gesellschafter. Adi Gross spricht von einem "fast undurchschaubaren, in sich verschachtelten Firmengeflecht".

Sehr kompliziert ist die Konstruktion jedoch nicht: Eigentümer von Häusle sind alle großen Firmen, die in der Vorarlberger Abfallwirtschaft mitmischen. Darunter auch Gesellschafter, die der FPÖ nahestehen. Grund für Befangenheit sieht Daniel Allgäuer, Obmann des Kontrollausschusses nicht: "Es geht um einen früheren FPÖ-Stadtrat in Feldkirch, der ist ja längst bei der ÖVP." Und auch sein Parteichef Dieter Egger, einst als Landesrat für die Abfallwirtschaft zuständig, sei politisch nicht verantwortlich. Die Kontrollen seien immer "engmaschig" gewesen.

Auskunft verweigert

Sehr zur Empörung der Ausschussmitglieder verweigerten die beiden Exgeschäftsführer von Häusle, die mit ihrer Firma WBH Hofer 26 Prozent an der Firma halten, die Teilnahme am Kontrollausschuss. Sie verweisen auf laufende Ermittlungen.

In einem Brief wehren sich Wieland Hofer und Martin Bösch gegen Vorverurteilungen. Das Vergraben von Gärresten aus der Biomüllverarbeitung hätte ihnen weder als Geschäftsführer noch Gesellschafter Profit gebracht. 1.000 Tonnen zu vergraben brächte dem Unternehmen nur 63.000 Euro Ersparnis, rechnen sie in ihrem Schreiben vor.

In einem anonymen Brief an Medien und Landesregierung wird über illegale Müllgeschäfte von Mitarbeitern, die vermutlich an der Geschäftsführung vorbeigingen, berichtet. So sollen an Wochenenden Sondermüll und flüssige Stoffe in die legale Deponie eingebracht worden sein. Der Brief wurde der Staatsanwaltschaft übergeben. (Jutta Berger, 6.4.2016)