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Foto: AP / Sang Tan

Kurz vor der Veröffentlichung der Panama Papers durch ein internationales Journalistenkonsortium hat Wikileaks, Stammvater der Zwangsoffenlegung vertraulicher Inhalte, mit seiner eigenen Bombe aufgewartet: einem abgehörten Telefongespräch zweier IWF-Funktionäre hinsichtlich Griechenland.

Und während die Panama Papers dem internationalen Kampf gegen Steuerbetrug helfen, ist die Wikileaks-Veröffentlichung sinnlos und sogar konterproduktiv.

Empörung in Griechenland

Das abgehörte Gespräch zwischen dem IWF-Europachef Poul Thomsen und der Leiterin der Griechenland-Mission, Delia Velculescu, hat in Griechenland viel Empörung hervorgerufen, obwohl es eigentlich nur altbekannte Positionen des Währungsfonds bestätigt: einerseits sein Eintreten für einen Schuldenschnitt, der ganz im Sinne Griechenlands wäre, aber von Deutschland blockiert wird; andererseits die Aussage, dass die Griechen zu echten Reformen nur bereit sind, wenn sie am Rande des Abgrunds stehen. "Ein Ereignis" müsse wieder einmal her, damit sich Griechenland einen Ruck gibt, erklärte Thomsen.

Das Letztere ist eine unangenehme Wahrheit, die man den Griechen nicht in der Öffentlichkeit ins Gesicht sagen sollte. Deshalb wurde es ja nur hinter verschlossenen Türen ausgesprochen. Aber auch der griechische Premier Alexis Tsipras weiß wohl, dass diese Analyse – und der Pessimismus bezüglich der Reformfähigkeit seiner Regierung – angebracht ist. Wird das offen ausgesprochen, dann muss er heftig reagieren, um seine innenpolitische Glaubwürdigkeit zu bewahren.

Alle haben ein Recht auf Vertraulichkeit

Es gibt einen guten Grund, warum nicht alles, was gesagt wird, öffentlich sein muss und soll. Auch politisch Verantwortliche haben ein Recht auf Vertraulichkeit – genauso wie jeder Bürger und jede Bürgerin. Aber die gleichen Aktivisten, die mit aller Kraft das Recht auf Privatsphäre gegen Behörden und Regierungen verteidigen, verlangen volle Transparenz von den Eliten – und erzwingen sie zur Not mit illegalen Mitteln.

Die IWF-Abhöraktion hat bloß Zwist zwischen der Athener Regierung und dem IWF, den Griechenland ja braucht, gesät und damit griechische Interessen beschädigt.

Es wird zum giftigen Politikum

Wenn Funktionäre oder Politiker von der US-amerikanischen NSA oder dem deutschen BND abgehört werden, ist das ärgerlich genug. Aber zumindest bleibt das meist unbekannt. Bei Wikileaks wird es in die Welt hinausposaunt und verwandelt Fragen, die intern gelöst werden sollen, zum giftigen Politikum. Das galt auch für zahlreiche, wenn auch nicht für alle früheren Enthüllungen der von Julian Assange gegründeten Whistleblower-Plattform.

Wer die Gefahren des Verlusts jeder Vertraulichkeit nicht verstehen will, soll David Eggers Bestseller "Der Circle" lesen, der mit seiner Horrorvision ja nicht nur Internetgiganten wie Google aufs Korn nimmt, sondern auch den absurden Transparenzkult in Teilen der heutigen Gesellschaft.

So macht man Verhandlungen kaputt

Vor allem bei jeder Art von Verhandlungen ist Vertraulichkeit zwingend notwendig. Im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit kann man nicht verhandeln, weil sonst jedes Zugeständnis, das man gegenüber der anderen Seite andeutet, von den eigenen Interessengruppen sofort abgeschossen wird.

Lecks sind der beste Weg, auch höchst wichtige Verhandlungen zu Fall zu bringen; zahlreiche Friedenslösungen sind an dieser Art der Sabotage schon gescheitert.

Auch TTIP-Verhandlungen müssen geheim sein

Das gilt übrigens auch für die Gespräche über das EU-US-Freihandelsabkommen TTIP. Was immer man von TTIP hält: Der Vorwurf, dass die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden, ist verfehlt. In der Öffentlichkeit könnten beide Seiten nur bekannte Positionen wiederholen und niemals mit deren Abtausch beginnen. Doch ohne solche auch schmerzhaften Deals kann es kein Ergebnis geben.

Es ist auch richtig, dass gewisse Inhalte der TTIP-Verhandlungen vor Parlamentariern geschützt werden, die alles, was ihnen nicht passt, sofort veröffentlichen würden, um es so zu verhindern.

Erst das Ergebnis gehört in die Öffentlichkeit

Erst wenn das Ergebnis feststeht, ist die Öffentlichkeit am Zug. Dann darf es auch keine geheimen Nebenabsprachen geben.

Und hier spielt Wikileaks vielleicht eine nützliche Rolle. Denn Politiker wissen, dass in der Internetära nichts mehr mit Sicherheit geheim bleibt. Bloß müssen der Zweck und der Zeitpunkt der Zwangsveröffentlichung stimmen.

Bei den Panama Papers war dies der Fall, bei der IWF-Abhöraktion sicher nicht. (Eric Frey, 7.4.2016)