Seit über 220 Jahren werden die Begriffe "links" und "rechts" zur Bezeichnung politischer Gegensätze verwendet. Ihren Ursprung haben sie in der französischen Nationalversammlung, wo einander nach der Revolution von 1789 das Bürgertum (links) und die Vertreter des Ancien Régime (rechts) gegenübersaßen.

Über die Jahrhunderte hat sich die Bedeutung der Begriffe vielfach gewandelt. Bezeichnend ist etwa Skandinavien, wo der Begriff "links" im Parteinamen der dänischen Rechtsliberalen (Venstre), der norwegischen Sozialliberalen (Venstre) und der sozialistischen Linkspartei in Schweden (Vänsterpartiet) vorkommt.

Natürlich gibt es berechtigte Einwände gegen eine Darstellung des politischen Wettbewerbs mithilfe nur einer Dimension. Liberale Parteien etwa nehmen oft ökonomisch "rechte" und gesellschaftspolitisch "linke" Positionen ein. Zudem gibt es oft politische Konflikte, die quer zur Links-rechts-Dimension verlaufen. Dennoch haben die Begriffe "links" und "rechts" für viele Menschen noch eine Bedeutung – selbst wenn damit nicht mehr sämtliche Interessengegensätze beschrieben werden können.

Es gibt keine allgemeingültige, von Zeit und Ort unabhängige Definition dessen, was "links" und "rechts" bedeutet. Wir können aber eine empirische Annäherung vornehmen, indem wir untersuchen, welche Einstellungen Linke von Rechten unterscheiden. Mit anderen Worten: Jene politischen Streitfragen, die stark mit der Selbsteinstufung auf einer Links-rechts-Skala korrelieren, können bis zu einem gewissen Grad Auskunft über die Bedeutung von "links" und "rechts" geben.

Die Grafik unten zeigt anhand von Daten aus der AUTNES-Vorwahlbefragung 2013 (N > 3000), wie stark bestimmte Einstellungsfragen mit Links-rechts-Selbsteinstufung (gemessen auf einer Skala von 0 bis 10) zusammenhängen (dargestellt werden Spearmans Rangkorrelationskoeffizienten). Wichtig dabei ist, dass für die Darstellung die Richtung des Zusammenhangs ignoriert wurde – das Interesse liegt allein auf der Stärke des Zusammenhangs. Der genaue Wortlaut der Fragen kann hier nachgelesen werden.

Ganz oben rangieren Einstellungen zu Zuwanderung, Asyl, Muslimen und europäischer Integration. Weniger stark schon die Zusammenhänge bei gleichgeschlechtlicher Ehe, Bestrafung für Kriminelle, Umweltschutz und der Rolle des Staates in der Wirtschaft. Besonders auffällig ist, dass sozioökonomische Fragen nicht besonders stark mit der Links-rechts-Selbsteinstufung korrelieren. Das mag einerseits an den spezifischen Frage-Items liegen (ich würde etwa vermuten, dass Fragen zu Vermögenssteuern eventuell höhere Werte erzielen), andererseits aber auch an der sozialpartnerschaftlichen Prägung der österreichischen politischen Kultur, wo ökonomische Interessengegensätze lange Zeit stärker in Verhandlungen hinter verschlossenen Türen ausgetragen worden sind als in öffentlicher politischer Auseinandersetzung.

Die zweite Grafik zeigt, wie stark der Zusammenhang zwischen Links-rechts-Selbsteinstufung und der Sympathie der Befragten für die Parteien ist. Die Richtung des Zusammenhangs wurde wieder ignoriert – natürlich ist die Sympathie für Grüne und SPÖ links höher, jene für FPÖ und ÖVP rechts.

Es zeigt sich, dass "links" und "rechts" nicht nur mit politischen Werthaltungen zusammenhängt (siehe oben), sondern auch mit der Sympathie, die die Befragten für die einzelnen Parteien wahrnehmen. Für jene Parteien, die am weitesten weg von der Mitte wahrgenommen werden (Grüne und FPÖ), ist der Zusammenhang am stärksten.

In einer umfassenderen Analyse (mithilfe einer multiplen Regression) zeigt sich auch, dass die Parteisympathie-Variablen in Bezug auf die Links-rechts-Selbsteinstufung deutlich höhere Erklärungskraft als die Einstellungsfragen haben.

Wer also "links" oder "rechts" sagt, kann damit bis zu einem gewissen Grad ein bestimmtes Muster an Einstellungen und Werthaltungen meinen. Oft aber dienen die Begriffe auch einfach einer Positionierung gegenüber den politischen Parteien – sei es aus Sympathie oder Antipathie. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 7.4.2016)