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Die Raupen des Baumwollkapselwurms richten erhebliche landwirtschaftliche Schäden an.

Foto: Reuters

Graz – Nicht heimische Tier- und Pflanzenarten dürften durch den Klimawandel profitieren und sich künftig dauerhaft in unseren Breiten etablieren. Wiener Forscher haben für drei Schädlingsarten Modelle erstellt, um ihren Überwinterungserfolg – und damit ein wichtiges Kriterium für die "Heimischwerdung" – abzuschätzen.

Zwei auf den ersten Blick unabhängige Faktoren sollten laut Andreas Kahrer von der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) in Wien gemeinsam betrachtet werden: "Nicht heimische Schadinsekten werden immer wieder nach Europa eingeschleppt. Und die mittleren Temperaturen sind in Europa während der vergangenen 100 Jahre um bis zu zwei Grad Celsius angestiegen und dürften künftig je nach Modell noch zwischen einem und drei Grad Celsius ansteigen", wie Kahrer am Rande des "Österreichischen Klimatages" in Graz sagte.

Gute Voraussetzungen

Er stellte sich gemeinsam mit Helfried Scheifinger von der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) die Frage, ob dadurch nicht schon in naher Zukunft eingeschleppte Insekten in europäischen Regionen heimisch werden – und damit möglicherweise die Landwirtschaft in Gefahr bringen könnten. Mithilfe aktueller Klimadaten und prognostizierter Klimaszenarien wurde so der potenzielle Ansiedelungserfolg des Baumwollkapselwurm (Helicoverpa armigera), der aus Südamerika stammenden Tomatenminiermotte (Tuta absoluta) und dem aus Indien stammenden Khapra-Käfer (Trogoderma granarium) untersucht.

Gemessen wurde der mögliche Ansiedelungserfolg dieser Schädlinge an ihrem Überwinterungserfolg. Dieser stelle eine erste notwendige Voraussetzung dar, um sich in einem neuen Gebiet zu etablieren. Die Ergebnisse der aus prognostizierten Klimadaten erstellten Modellierung der Überwinterungserfolge waren laut Scheifinger prägnant: Im Fall des Baumwollkapselwurms, dessen Raupen auch Gemüse und Blumen befallen, und des Khapra-Käfers könnten demnach bis Ende dieses Jahrhunderts die Gebiete, in denen die Insekten gut überwintern könnten, stark anwachsen.

Beschränkte Mottenausbreitung

"Dann würden große Gebiete in Mitteleuropa zur Überwinterung beider Arten ohne jegliche klimabedingte Sterblichkeit geeignet sein", so Scheifinger. Im Fall der Tomatenminiermotte würde sich der Zuwachs möglicher Überwinterungsgebiete auch gegen Ende des 21. Jahrhunderts jedoch weiterhin auf Südwesteuropa und den Mittelmeerraum beschränken.

An der AGES wurde im Labor in mehrjährigen Experimenten die maximale Überlebensdauer der Insekten bei unterschiedlichen Frostgraden erhoben. Zuletzt wurden daraus die stündlichen Kältestresswerte und der Gesamtkältestress der Insekten errechnet. "Daraus ließ sich dann die Gesamtmortalität für die jeweilige Insektenpopulation ermitteln", sagte Kahrer. "Bisher war eine Berechnung der Mortalität unter fluktuierenden Temperaturen nicht möglich gewesen – erst unsere neuartige Berechnungsweise erwies sich als zielführend", so der Forscher. (APA, 7.4.2016)