Brüssel will es genau wissen: Welche Maßnahmen setzen große Unternehmen für den Umweltschutz?

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Wien – Ihren ökologischen Fußabdruck misst die Erste Group genau aus. Der Stromverbrauch sei zwischen 2012 und 2015 um 16,3 Prozent gesenkt worden, der Heizenergieverbrauch um 22,4 Prozent und der Kopierverbrauch um 14,2 Prozent – auf zuletzt 1469 Tonnen. Nachzulesen ist das alles im jüngsten Geschäftsbericht. Dort steht auch, dass man bei der Wahl der Lieferanten darauf achte, dass es dort nicht zu Zwangsarbeit oder Kinderarbeit kommt.

Solche nichtfinanziellen Indikatoren schreiben bereits viele österreichische Konzerne in ihre Lageberichte. Die Berücksichtigung von Umwelt- und Arbeitnehmerbelangen ist für große Kapitalgesellschaften (mehr als 250 Mitarbeiter) auch bereits gesetzlich vorgeschrieben.

Durch eine neue EU-Richtlinie, die bis Ende 2016 umgesetzt werden muss, kommt auf die Betriebe aber noch eine Ausweitung der Informationspflichten zu. Die Angaben müssen sich dann neben den Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen jedenfalls auch auf Maßnahmen zur "Achtung der Menschenrechte und auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung" konzentrieren. Vorgeschrieben ist auch ein Diversitätskonzept, in dem Aspekte wie Alter, Geschlecht und Bildungshintergrund erläutert werden müssen.

Inhaltlich prüfen

Was eigentlich nach kleinen technischen Adaptionen klingt, löst in Wirtschaftskreisen Ängste vor neuem bürokratischem Mehraufwand aus. Das Justizministerium bereitet nämlich gerade die Umsetzung der Richtlinie vor. Im Kern geht es um die Frage, ob Österreich über die europäischen Vorgaben hinausgehen soll.

So schreibt Brüssel die Informationspflichten nur für Betriebe vor, die von öffentlichem Interesse sind und mehr als 500 Mitarbeiter haben. Das Sozialministerium plädiert aber in einer Stellungnahme gegenüber dem Justizressort für eine schrittweise Erweiterung des Adressatenkreises. Auch die Beschränkung auf Kapitalgesellschaften wird als "zu eng" erachtet.

Was ebenfalls noch für Diskussionen sorgt: Sollen die Wirtschaftsprüfer dazu verpflichtet werden, die Angaben der Unternehmen auch inhaltlich zu überprüfen? Die EU-Richtlinie ist hier sehr großzügig. Die Prüfer müssen demnach nur kontrollieren, ob Informationen zu den verlangten Kategorien vorhanden sind. Es sind auch keine Sanktionen vorgesehen, wenn es keine Konzepte zu Umwelt, Menschenrechte oder anderen erwähnten Bereichen gibt. Das Unternehmen muss lediglich begründen, warum es solche Konzepte nicht gibt.

Sozialministerium und Gewerkschaft, aber auch der Verein für Konsumenteninformation sprechen sich dafür aus, dass die Berichte auch inhaltlich geprüft werden sollen. Der Wirtschaftsprüfer müsste sich also anschauen, ob die Angaben der Erste Group zu den Energieeinsparungen tatsächlich korrekt sind.

Von der Wirtschaftskammer wird das entschieden abgelehnt. Die Überprüfung der Richtigkeit erfordere große Expertise und in der Regel Spezialkenntnisse, was wiederum eine finanzielle Belastung für die Unternehmen bedeute. Verwiesen wird auf eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Studie, laut der eine externe Überprüfung im Schnitt 22.000 bis 114.000 Euro kosten würde.

Die Wirtschaftskammer spricht sich daher für eine "weitestgehend freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen aus". Jede Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Richtlinie wird abgelehnt, wie es heißt.

Der ÖGB wiederum hätte gerne, dass schon Betriebe mit 200 Mitarbeitern zur Veröffentlichung der nichtfinanziellen Informationen und zur Erstellung von Diversitätskonzepten verpflichtet werden. Zusätzliche Berichtspflichten, die nur in einem EU-Staat eingeführt werden, könnten aber zu möglichen Wettbewerbsnachteilen führen, kontert die Wirtschaftskammer.

"Druck auf Betriebe"

Auch die Industriellenvereinigung warnt vor einer überschießenden Umsetzung der EU-Richtlinie. Hinterfragt wird überhaupt, ob es einen "inhaltlichen Mehrwert" für die Leser der Berichte gibt. Generalsekretär Christoph Neumayer verweist auf Anfrage des STANDARD auf den bereits bestehenden "massiven bürokratischen Druck auf die heimischen Betriebe". Daher brauche es "einen sinnvollen und adäquaten Weg der Berichterstattung". Neumayer: "Andernfalls passiert das Gegenteil dessen, was sich die Europäische Kommission – Stichwort Bürokratieabbau – vorgenommen hat." (Günther Oswald, 8.4.2016)