Die Muttersprache ist identitätsstiftend. Wird sie abgelehnt, wird auch die Integration schwieriger.

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Wenn Kroatisch oder Serbisch in der Pause gesprochen wird, dann folgt ein Klassenbucheintrag, wenn es Ungarisch oder Burgenlandkroatisch ist, dann nicht. So sieht die FPÖ-Burgenland die Pausen-Deutschpflicht. Die Volksgruppensprachen hat sie aus ihrer Forderung nachträglich ausgenommen.

Für die Umsetzung zuständig wäre nun SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl. Aber Niessl windet sich. Eine Abfuhr gibt die SPÖ der FPÖ aber trotzdem nicht. Kein lauter Aufschrei des selbsternannten "Bollwerks gegen Rechts"; Norbert Darabos, Soziallandesrat und bekennender Burgenlandkroate schweigt zur Causa. Dobro jutro, Zeit zum Aufstehen! Hier wäre gerade eine Menschenrechtsverletzung in Planung. Warum sich gerade er, der Historiker, zurückhält, ist nicht nachvollziehbar. Darabos hat die problematische Haltung der SPÖ-Burgenland zum Burgenlandkroatischen in den 60er-Jahren in seiner Diplomarbeit behandelt und weiß daher, dass nicht durchdachte, sprachpolitische Angriffe auf die Muttersprache verunsichern und Schaden anrichten können.

Das Recht des Stärkeren?

Sprachverbote gab es schon einmal auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes. Die so genannte Magyarisierung, also das Bestreben die nicht-ungarische Bevölkerung zu assimilieren, hat vor mehr als hundert Jahren Kroaten und Deutsche in Deutschwestungarn, wie das Burgenland damals hieß, gleichermaßen betroffen. Schulsprache war Ungarisch. Das betraf in einigen Ortschaften auch die Pausen in den Schulen. Gebracht hat das Sprachverbot nichts. Das Burgenland fiel 1921 aufgrund seiner deutschsprachigen Mehrheit an Österreich.

Wenn man aus der Geschichte lernen wollte, gäbe es weitere Beispiele für Sprachverbote in Europa. Ein Schüleraustausch nach Manresa in Katalonien hat uns, einer Gruppe von burgenländischen Gymnasiasten Ende der 90er-Jahre, eindrücklich gezeigt, was Sprachpolitik dieser Art macht: selbst Jahrzehnte nach Ende der Diktatur hat die Elterngeneration unserer Austauschschüler das Spanische emotional abgelehnt. Die Weltsprache, die wir wegen ihres Klangs liebten und wegen deren Erwerb wir ins Flugzeug gestiegen waren, war dort vielen verhasst. Warum? In Katalonien war in der Ära Franco Katalanisch verboten, nicht nur in der Schule. Auch private Telefongespräche mussten auf Spanisch geführt werden. Die Mehrheit schreibt der Minderheit vor, welche Sprache sie ausschließlich zu verwenden hat. Aber cui bono und wollen wir so leben?

Deutsch im Vorbeigehen lernen

Im Mittelburgenland, wo ich aufgewachsen bin, gab es in den 80er-Jahren noch Volksschulen, wo neun von zehn Kindern nichtdeutscher Muttersprache waren. Das klingt heute, im Hintergrund der aktuellen Debatte, wie eine Horror-Vorstellung. War es aber nicht. Es war vielmehr sehr einfach. Man hat uns einfach in Ruhe gelassen und mit zehn Jahren konnten wir alle Deutsch und Burgenlandkroatisch. Wir haben "Am dam des", Biene Maja, Wickie und Kasperl geschaut, mit Tanten aus Wien und den "Wiener Kindern" aus den Pendlerfamilien Deutsch gesprochen. Kein Druck, keine Skandalisierung, keine Muttersprachenverbote. Wir waren uns allerdings unserer Sonderstellung nicht ganz bewusst. Wir wussten noch nicht, dass wir "Krowodn" sind und, dass manche, darunter auch vielen Kroaten selbst, Kroatisch unnötig und überflüssig finden.

Viele Volksgruppenangehörige können sich noch gut an einen Alltag voller Ressentiments und Herabwürdigung ihrer Muttersprache erinnern. Beschimpfungen waren in den 70er- und 80er-Jahren üblich. Europa war noch geteilt, Ungarisch und die slawischen Sprachen galten noch nicht als schick, eher als Sprachen zweiter Klasse, die keiner braucht. Diese Erfahrungen haben uns alle geprägt. Daher sind angekündigte Sprachverbote in Schulen ein Alarmzeichen für uns. Wir wollen nicht, dass diese Zeit wieder kommt, auch wenn jetzt die "autochthonen Volksgruppen" selbst von den rechtesten Parteien ausgenommen sind. Dann betrifft es eben jemanden anderen, dessen Sprache "nicht erlaubt", unerwünscht oder überflüssig ist. Das ist demütigend und stellt eine Hierarchie der Sprachen und dadurch auch eine Hierarchie zwischen den Menschen, die sie sprechen, her. Das kommt einer Spaltung der Gesellschaft gleich. Ist es das, was die FPÖ will?

Ablehnung und Integration sind schwer vereinbar

Unsere Muttersprachen sind identitätsstiftend. Wird sie abgelehnt, wird somit ein Teil von uns, werden auch wir als Menschen abgelehnt. Das Annehmen ist aber für die Integration besonders wichtig. Beide Seiten müssen einander annehmen, sonst kommt es zu keiner Integration. Mit Zwang wird das nicht gehen, auch wenn sich das die Law-and-order-Fraktion noch so wünscht oder vielmehr damit zu zeigen versucht, wer hier der Stärkere ist. Es ist ein Skandal, wenn Kinder nach neun Jahren in einer österreichischen Schule nicht ausreichend Deutsch können. Es braucht aber Maßnahmen und Programme, Förderpläne, die greifen und nicht Ansagen, die darauf abzielen, Menschen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch zu demütigen. Wenn Landesregierungen verfassungswidrige Regelungen ins Regierungsprogramm schreiben und mit einer Verletzung der Menschenrechte kokettiert wird, ist das ein erstes Anzeichen dafür, dass der Rechtsstaat, der die Freiheit der einzelnen Bürger, auch der Minderheiten, sichert, nicht ernst genommen wird. Diese Freiheitsrechte sind dann in Gefahr und das macht nachdenklich.

Das FPÖ-Muttersprachenverbot mutet autoritär an und klingt wie eine gefährliche Drohung. Nicht zuletzt aus eigener Erfahrung bin ich überzeugt, dass Spracherwerb nur ohne Zwang funktionieren kann. Am Institut für Sprachwissenschaften in Wien etwa forscht Rudolf de Cillia zum Spracherwerb. Wissenschafter streichen unterschiedliche Faktoren heraus, die das Deutschlernen begünstigen beziehungsweise erschweren. Zwang ist hinderlich, belegen deren Forschungsergebnisse. Mögen die FPÖ und alle ihre Koalitionspartner diesen Irrweg rasch verlassen und nachhaltigere Pläne schmieden, die ein friedliches Miteinander garantieren, anstatt Konflikte zwischen den Bürgern zu schüren. (Anita Malli, 7.4.2016)