Usnija Buligovic und Erich Fenninger beschäftigen sich mit der Situation der Roma in Österreich.

Foto: Volkshilfe Österreich

Wien – Bettler und Kriminelle: Dieser Mythos über Roma sei in Österreich und Europa noch immer allgegenwärtig. "Das Bild der bettelnden Roma ist sehr stark verankert", sagt Usnija Buligovic, selbst Romnja und Projektleiterin der Initiative Thara, die sich für Anliegen von Roma auf dem Arbeitsmarkt einsetzt. Auch im Antiziganismusbericht des Romano Centro wird festgehalten, dass sich der "öffentliche Diskurs über Roma weiter auf die Debatte über Bettler" verenge.

"Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Roma leider nicht so gut", sagt Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger. Aus Studien der Arbeiterkammer gehe hervor, dass die Erwerbslosigkeit bei dieser Bevölkerungsgruppe höher ist. Viele würden sich zudem in Leiharbeit wiederfinden oder lediglich Teilzeitjobs bekommen. Schon im Bildungssystem finde eine starke Selektion statt. "Kinder aus ärmeren Haushalten können oft schlechter lesen oder rechnen. Diese Kinder haben einen kurzen Bildungsweg." Mit der niedrigen Bildung stünden die Chancen auf einen Arbeitsplatz sehr schlecht.

"Sozioökonomische Instabilität"

Hinzu komme, dass bereits die vorhergehenden Generationen eine schlechte Ausbildung genossen. "Vor vier Generationen wurden Roma noch automatisch in die Sonderschule gesteckt, egal welche Talente sie hatten", sagt Fenninger. Diskriminierung und Ausgrenzung hätten zu einer "sozioökonomischen Instabilität" geführt, sagt Buligovic. "Die Problematik ist nicht über Nacht entstanden und kann auch nicht so schnell gelöst werden."

Auch im Rest Europas würden Roma diskriminiert und noch viel stärker exkludiert als in Österreich. "Die Übergriffe auf Roma haben sich gehäuft", sagt Fenninger. In Österreich konzentriere sich die extreme Rechte jedoch weniger auf Roma als in osteuropäischen Staaten wie Polen und Ungarn. "Dort ist ein Feindbild konstruiert worden, das sehr stark dafür benutzt wird, Roma unter schlechtere Lebensbedingungen zu stellen." Dadurch komme es viel stärker zu Ausschluss und Verfolgung.

Keine "Ghettos" in Österreich

Ein weiterer großer Unterschied sei, dass es in Österreich keine "Ghettos im Vergleich zu anderen europäischen Ländern" gebe. "Roma sind in Österreich gut integriert", sagt Usnija Buligovic. Hier müsse man die Politik positiv hervorheben. Sie habe dafür gesorgt, dass hierzulande keine abgegrenzten Roma-Siedlungen existieren. "Es gab früher eine in Oberwart, dort hat Franz Fuchs letztlich vier Menschen umgebracht. Dort war die Situation lange schlecht", sagt Fenninger.

Konkursverfahren beim "Verein Roma Oberwart"

In dem burgenländischen Ort wurde im Jahr 1989 die erste Roma-Organisation gegründet, der "Verein Roma Oberwart". Eines der großen Ziele, die Anerkennung der Roma als Volksgruppe, wurde 1993 erreicht. Nun wurde am Donnerstag über den Verein der Konkurs eröffnet, teilte der Gläubigerschutzverband Creditreform mit.

Weil Roma heute in ganz Österreich mitten in der Gesellschaft in normalen Wohnungen leben würden, seien sie "unsichtbarer". Bedenklich sei, dass viele ihre Identität nicht zeigen würden, weil sie das Gefühl hätten, "das will man nicht", sagt Fenninger. "Sie versuchen, bloß nicht als Roma aufzufallen oder sich als solche zu äußern", sagt Buligovic.

Das hänge damit zusammen, dass in Österreich immer neue Feindbilder geschaffen würden, meint Fenninger. Diese würden für die schlechten Lebensbedingungen und hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht. (Oona Kroisleitner, 8.4.2016)