Oppositionschef Zoran Zaev informierte vom Wahlboykott seiner sozialdemokratischen Partei.

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Skopje/Sarajevo – Die mazedonischen Sozialdemokraten wollen nicht an der Parlamentswahl am 5. Juni teilnehmen. Das kündigte SDSM-Chef Zoran Zaev am Donnerstag an, obwohl er noch kurz davor einen Boykott ausgeschlossen hatte. Die politische Krise spitzt sich dadurch massiv zu. "Alles läuft auf einen Konflikt hinaus", sagt der Publizist Saso Ordanoski zum STANDARD.

Denn die nationalkonservative VMRO-DPMNE und die größte Albanerpartei DUI wollen beim 5. Juni bleiben. Am Mittwoch wurde bereits das Parlament aufgelöst, damit der Termin eingehalten werden kann. Zaev begründet seinen Boykott nun damit, dass die Wahllisten nicht aktualisiert wurden und es nach wie vor keine faire Medienberichterstattung für alle Parteien gebe. "Im Namen der Demokratie werden wir nicht an dieser Wahl teilnehmen." Es gebe immer Wege, um für die Freiheit zu kämpfen, sagte Zaev – und stellte damit neuerliche Straßenproteste in Aussicht.

Hahn bedauert Entwicklung

EU-Kommissar Johannes Hahn, der seit Monaten zwischen Regierung und Opposition vermittelt, bedauerte am Donnerstag die Entwicklung. Bereits in den vergangenen Monaten drohte der Vermittlungsprozess, der das Landes demokratisieren soll, immer wieder zu scheitern. Es habe Fortschritte bei den Wahlvorbereitungen gegeben, aber es müsse mehr getan werden, damit diese glaubwürdig seien, so Hahn.

Tatsächlich ist die Lage kompliziert. Denn die Regierungspartei VMRO-DPMNE, die in den vergangenen Jahren immer autoritärer regierte, hat bereits einmal einer Wahlverschiebung zugestimmt. Eine neuerliche Verschiebung ist schwierig zu erreichen.

Tausende Karteileichen in Wahllisten

Prinzipiell hängt die Entscheidung von der Einschätzung der Wahlkommission ab. Tatsächlich enthalten die Wahllisten tausende Karteileichen. Bei den vergangenen Wahlen haben diese "Toten", wie von Zauberhand plötzlich zum Leben erweckt, ihre Stimme abgegeben – meist natürlich für die VMRO-DPMNE.

Die Wahlkommission stellte nun klar, dass sie die Wahllisten nicht bestätigen will, solange es problematische Fälle gibt. Analysten wie Ordanoski bezweifeln, dass es möglich sein wird, die Listen zeitgerecht zu bereinigen. Am Donnerstag versuchten europäische und amerikanische Diplomaten angestrengt eine Lösung zu vermitteln.

Durch die Schließung der Balkanroute – Mazedonien hat diese Aufgabe übernommen – bekam der kleine Balkanstaat für die EU eine zentrale Rolle. Auch die Position von Expremier Nikola Gruevski wurde dadurch gestärkt.

VMRO wegen Abhörskandals unter Druck

Insbesondere von Vertretern der Europäischen Volkspartei – auch aus Österreich – gab es wegen der Flüchtlingspolitik Unterstützung für ihn. Die VMRO-DPMNE ist mit der EVP assoziiert und hat Beobachterstatus. Nach der Wahl sollen zudem Diplomaten verstärkt an einer Lösung des Namensstreits mit Griechenland arbeiten, damit Mazedonien der Weg in Nato und EU wieder geöffnet wird. Griechenland legt dagegen seit Jahren sein Veto ein.

Der Wahltermin am 5. Juni ist für die VMRO-DPMNE wichtig. Denn je später die Wahl stattfindet, desto wahrscheinlicher wird, dass die Sonderstaatsanwaltschaft weitere Vergehen der früheren Regierung unter die Lupe nimmt und sich die Chancen der VMRO verringern. Die Sonderstaatsanwaltschaft wurde auf Druck der EU-Vermittler eingesetzt und soll den Abhörskandal aufklären, der offenbarte, wie die Regierungsparteien und der Geheimdienst die Polizei, Justiz und Verwaltung kontrollierten und Amtsmissbrauch begingen.

Ermittlungen gegen ehemalige Ministerin

In den vergangenen Monaten versuchte die allgemeine Staatsanwaltschaft die Arbeit der Sonderstaatsanwaltschaft zu unterlaufen. Kürzlich gab die Sonderstaatsanwaltschaft bekannt, dass gegen vier hohe Beamte und eine Exministerin ermittelt werde, die Beweismittel für das illegale Abhören von 20.000 Bürgern vernichtet haben sollen. Zudem ermittelt sie wegen organisierten Wahlbetrugs und der Anwendung von Foltermethoden.

In den Umfragen liegt die VMRO-DPMNE derzeit vorne. Das ist nicht weiter verwunderlich, weil sie als Exregierungspartei den Vorteil hat, die Jobs im öffentlichen Sektor verteilen zu können – und der ist in Mazedonien mehr als dominant. (Adelheid Wölfl, 8.4.2016)