Trennen sich die Eltern, ist es wichtig, dem Kind zu sagen, dass es nicht der Auslöser war.

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Oliver und Eva sitzen mit ihren Kindern Thomas (10), Laurenz (7) und Vera (3) beim Abendessen. Schon seit Wochen überlegen die beiden Erwachsenen, wie sie den Kindern den baldigen Auszug von Oliver erklären können. Die Kinder sollen mit Eva in der Wohnung bleiben. Oliver will sie jedes zweite Wochenende zu sich holen. In den Ferien sollen die drei Kinder auch zwei Wochen mit ihrem Papa verbringen können. Anders bei Marion und Alexander. Sie haben vereinbart, so lange zusammenleben zu wollen, bis ihre Kinder Jonas (12) und Valerie (9) "aus dem Gröbsten raus sind". Beide denken, dass ihre Verantwortung gegenüber den Kindern so groß ist, dass sich einer von beiden nicht einfach eine neue Wohnung suchen sollte.

Carina hat die dauernden Streitereien ihrer Eltern satt. Kein Tag vergeht, an dem die beiden nicht verschiedener Meinung sind und einander anschreien. Der Vater ist grantig, die Mutter weint schon mal. Carina zieht sich dann in ihr Zimmer zurück und hofft, dass alles schnell wieder vorbei ist. In solchen Momenten können sich die Eltern nicht um Carina kümmern, denn die zwei sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Einerseits wünscht sich das Mädchen, dass die Eltern sich trennen, dann hätte das alles ein Ende, aber andererseits macht ihr diese Vorstellung auch Angst.

Liebe, Kinder, und dann ...

Meist ist am Beginn einer Beziehung alles gut. Die beiden Menschen haben sich ineinander verliebt, denken und fühlen, die Partnerin oder den Partner fürs ganze Leben gefunden zu haben. Irgendwann entscheidet man dann, wie man glaubt, den Rest des Lebens miteinander verbringen zu wollen. Man geht der Liebe wegen und der anderen Person zuliebe durchaus auch Kompromisse ein. Man lebt zusammen, bekommt Kinder, zieht diese gemeinsam groß und richtet sich das Leben als Familie ein. Und dann … dann passiert in vielen Familien das, wovor jeder Mensch sich klammheimlich fürchtet: Man lebt sich auseinander, erwägt und erlebt eine Trennung.

Wie soll das Kind das erfahren?

Einige Elternpaare scheuen sich davor, mit dem Kind über die bevorstehende Trennung zu sprechen. Meist ist es aber genau dieses gemeinsame Gespräch vor der Trennung, das vielen Kindern und Jugendlichen, aber auch ihren Eltern helfen kann, sich der neuen, ungewohnten Situation zu stellen. Klar ist, dass das Gespräch je nach Alter und Entwicklung des Kindes und nach Einschätzung der Erziehenden zu gestalten ist. Niemand kennt sein Kind so gut wie die Eltern selbst.

Wichtig ist, dem Kind oder den Kindern klar zu sagen und auch zu zeigen, dass nicht sie der Auslöser für die Unstimmigkeiten und schließlich die Trennung der Eltern sind. Kinder neigen immer wieder dazu, die Schuld bei sich zu suchen.

Vieles ist jetzt anders

Zieht ein Elternteil aus, entsteht im Leben des Kindes und seiner Bezugspersonen eine große Veränderung. Es kann durchaus sein, dass das Kind auf die neue, veränderte Situation mit Verhaltensweisen reagiert, die zuvor nicht beobachtet wurden. Manche größeren Kinder und Jugendlichen versuchen instinktiv den fehlenden Elternteil zu ersetzen, indem sie in Rollen schlüpfen, die sie letztlich völlig überfordern. Kleine Kinder beginnen eventuell damit, ins Bett zu machen oder wieder am Daumen zu lutschen, zu klammern und sich von der Mama oder vom Papa nicht trennen zu wollen.

Im besten Fall geht die Beziehung ohne großen Rosenkrieg auseinander, und die Trennung kann auch für die Kinder relativ gut gestaltet werden. Schwieriger ist es da schon, wenn Eltern sich nicht einig sind über Sorge- und Aufenthaltsrecht der Kinder, wenn die Erwachsenen einen Machtkampf auf dem Rücken der Kinder austragen.

Kind gerät in Loyalitätskonflikt

Viele Elternteile vergessen in ihrer eigenen Kränkung und Wut auf die kleinen und größeren Familienmitglieder. Für diese ist meist nicht nachvollziehbar, warum der Papa oder auch die Mama nicht mehr da ist und sie den jeweiligen Elternteil nur manchmal oder vielleicht auch gar nicht mehr sehen dürfen. Kinder kommen in solch einer Situation sehr schnell in einen Loyalitätskonflikt. Sie hören: "Das muss die Mama gar nicht wissen!", "Das darfst du dem Papa nicht erzählen!", "Das ist jetzt unser Geheimnis!"

Für Kinder ist es ganz schwierig, Geheimnisse zu haben, nicht ehrlich sein zu dürfen, aufpassen zu müssen, was sie dem anderen Elternteil erzählen, damit dieser nicht traurig oder böse ist. Sind Kinder gezwungen, Erzählungen, Ereignisse, Erlebnisse für sich zu behalten, dann kann sich das schnell im Verhalten bemerkbar machen. Sie können sich zurückziehen oder aggressiv werden, verstummen oder Geschichten erzählen, eventuell mit körperlichen Symptomen reagieren und viele andere Verhaltensweisen zeigen.

Trotz allem ist es wichtig, Interesse daran zu zeigen, wie das Kind seine Zeit beim Papa oder bei der Mama verbracht hat, wie es ihm in dieser Zeit ergangen ist, aber auch zu akzeptieren, wenn das Kind nur wenig erzählt.

Kein Zurück mehr

Mit der Zeit sollte das Kind auch erleben, dass es kein Zurück mehr gibt. Dass die Eltern sich nicht mehr gern genug haben, um wieder gemeinsam zu wohnen. Sie sind wie bis zur Trennung – manchmal danach sogar noch intensiver – als Eltern für ihr Kind da, aber als Paar gibt es sie nicht mehr.

Wünschenswert wäre, dass für betroffene Eltern das Wohl des Kindes im Vordergrund steht. Die Erwachsenen entscheiden die Trennung – nicht immer gemeinsam –, aber das Kind muss mit der Entscheidung der Eltern leben, ob es will oder nicht. Es muss mit der veränderten Situation, mit Gefühlen von Trauer, Wut, oft auch Angst und Unsicherheit, die dieser Verlust eines Elternteils nach sich zieht, leben, und gleichzeitig spürt und sieht es auch, wie Mama und Papa darunter leiden. Je nachdem, wie gut sich die Erwachsenen einigen, wie gut die beiden nach der Trennung miteinander reden und umgehen können, lassen sich die unterschiedlichsten Varianten der Lebensgestaltung finden, die für Kinder und Erwachsene gut passen.

Ihre Erfahrungen?

Welche Erfahrungen haben Sie mit Trennungssituationen? Wie gehen Sie und Ihre Kinder mit der Trennung um? Posten Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 8.4.2016)