Objekte, die wie Öffnungen oder Schlitze wirken: Blick in die Ausstellung von Anita Leisz in der Galerie Meyer Kainer.


Foto: Tina Herzl / Galerie Meyer Kainer

Wien – Bei ihrem letzten Solo in der Galerie Meyer Kainer im Jahr 2010 standen Anita Leisz' Skulpturen noch auf dem Boden. Nun überrascht die Künstlerin mit einer Präsentation, in der sich ihre Skulpturen auf die Wände "zurückgezogen" zu haben scheinen. Zumindest hat man kurz diesen Eindruck.

Waren es damals noch überwiegend frei im Raum stehende Kuben, sieht man nun eine flache, großformatige Platte, die das Galerienfenster verdeckt. An den Wänden hängen unterschiedlich große Wandobjekte, darunter eine Art hochgezogene Augenbraue: Knapp über den Köpfen der Betrachter platziert, glaubt man irgendwann, in einer abstrakten, nach unten offenen, rechteckigen Form den Teil eines auf die Betrachter herunterblickenden Auges zu erkennen.

Ganz nüchtern betrachtet handelt es sich bei Anita Leisz' Wandstücken um eine Reihe einfacher architektonischer Formen, für die sie neuerlich industriell angefertigte, vorgrundierte graue Span- und Gipsfaserplatten als Material verwendete. Aus der Entfernung wirken viele der meist rechteckig zusammengesetzten Objekte wie Öffnungen oder Schlitze – eine Illusion, die jene Arbeit mit dem vermeintlichen "Auge" noch unterstützt.

Ansonsten vermeidet es die 1973 in Leoben geborene Künstlerin eigentlich tunlichst, allzu eindeutig zu sein; Leisz hält das assoziative Potenzial ihrer Formen gering und entwickelte vielmehr minimalistisch anmutende, klar strukturierte Objekte, die sie miteinander, aber auch mit dem menschlichen Körper sowie dem Umraum in Beziehung setzt.

Anita Leisz, die an der Akademie der bildenden Künste studierte und dort später in der Bildhauerklasse von Manfred Pernice auch unterrichtete, geht es um die Erfahrung des Raums und der darin befindlichen, verschiedenen Körper. Gleichzeitig bemüht sie sich mit diversen Markern darum, dass trotz aller formalen Strenge der Blick für produktionstechnische, individuelle oder absurde Details erhalten bleibt: Neben Produktionsspuren wie Kratzer oder Farbschlieren sind auf ihren Wandobjekten etwa Schuhabdrücke zu sehen. In Form rußi- ger Farbablagerungen treten zudem Abnützungserscheinungen zutage, mit denen man konkrete Benutzbarkeit in Verbindung bringt.

Kleine, kratzende Geste

In ihrer aktuellen Inszenierung hat Anita Leisz die Galerie mit einer riesigen Gipsfaserplatte in einen fensterlosen White Cube verwandelt. Ihre Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von innen und außen, mit offenen oder geschlossenen Volumen, oben und unten oder auch mit Handwerk und Industrieproduktion wird auf diese Weise noch um die Aspekte Funktion respektive Funktionslosigkeit ergänzt.

Das alles hat mit Minimal Art durchaus viel zu tun. Allerdings werden die Betrachter ihrer Objekte manchmal auch angeblinzelt. Es ist nur eine kleine Geste, aber an den traditionell minimalistischen Kategorien – wie etwa Objektivität und Selbstbezüglichkeit – kratzt sie nachdrücklich. (Christa Benzer, Album, 9.4.2016)