STANDARD: Täuscht der Eindruck, oder zieht es Sie bei Ihren Rollen gerade stark zu den Ungustln?

Ofczarek: Es ist nichts Neues, dass es wesentlich interessanter ist, den Bösewicht zu spielen. Das sind die komplexeren Figuren, weil sie gewisse Codes und Vereinbarungen, die wir Menschen untereinander haben, nicht mehr einhalten. Aber ob es mich da hinzieht? Eben habe ich in der Schweiz einen Kinofilm gemacht, in dem ich in den 1970er-Jahren einen depressiven Bauern spiele.

STANDARD: Der Bösewicht im "Tatort" ist aber besonders abscheulich. Wie war es, ihn zu spielen?

Ofczarek: Das war ein sehr genau geschriebenes Drehbuch. Ich wurde von Hermine Huntgeburth angehalten, nichts Besonderes zu spielen, weil Text und Situation ohnehin stark genug sind. So ist dieser Mensch einmal freundlich charmant, und in der nächsten Szene siehst du ihn, wie er schreckliche Dinge tut.

Foto: ARD

STANDARD: Tüfteln Sie lange an einer Figur, bevor Sie sie zum ersten Mal interpretieren?

Ofczarek: Ich bereite mich gerne gut vor, egal ob in Theater, Fernsehen oder Film. Eine gute Vorbereitung gestattet eine größere Freiheit, im Moment zu arbeiten, weil dann eh immer alles anders ist, als man es sich vorstellt. Wenn man nicht vorbereitet ist, wird man eher unsicher und macht dann zu viel vom Falschen oder zu wenig vom Richtigen. Bei dem Dreh war es auch so, dass ich wirklich überhaupt niemanden kannte. Was auch selten ist, mittlerweile. Ich war auch noch nie in Frankfurt.

STANDARD: Wie fühlt sich das an?

Ofczarek: Ich war richtig allein in einer mir fremden Umgebung, und das schüchtert ein bissl ein.

STANDARD: Ist Ihnen Harmonie am Set wichtig?

Ofczarek: Wem ist das nicht wichtig? Ein respektvoller Umgang ist mir wichtig. Das war hier bei dem Dreh so, der ganz kurz vor dem Schluss ein bisschen harmonisch wurde und dann war es auch wieder vorbei. Man ist sich fremd, ich musste trotzdem gleich am ersten Drehtag auf die Balustrade eines Hochhauses steigen. Wohl gesichert, aber es ging 30 Meter hinunter. Wäre ich gestürzt, wäre ich vier Meter gegen die Hauswand gefallen.

STANDARD: Die Regisseurin hat vielleicht den Moment der Anspannung genutzt und Sie auf das Mäuerl gestellt?

Ofczarek: Es war sehr hoch, eigentlich will ich mich auf so etwas auch für einen Film nicht stellen. Aber ich hab's gemacht, man blendet das aus.

STANDARD: Ganz am Anfang gibt es einen ziemlich entrückten Tanz zu Heavy Metal. Macht so was Spaß?

Ofczarek: Man hat viele Augen auf sich gerichtet, die man alle nicht kennt. Spaß? Das war mir auch nicht wirklich angenehm. Aber es ist letztlich Arbeit. Die Szene dauerte am Ende eines langen Drehtags drei, vier Stunden. Es war insgesamt ein sehr intensiver Dreh. Dazu kommt, dass Frankfurt eine seltsame Stadt ist, einerseits hessisch-pittoresk, andererseits gibt es das Finanzviertel, und einen Block weiter ist das Rotlichtviertel, die Taunusstraße. Das kenne ich aus keiner anderen Stadt, da begegnen dir Zombies, es gibt eine riesige Drogenszene, eine Gewaltbereitschaft und eine offen ausgetragene Aggression. Wir mussten mit Security drehen. Ums Eck wurde einer erstochen, während wir drehten.

STANDARD: Als Zuschauer ist es im besten Fall so, dass die Folge fesselt und man sie vielleicht nicht ganz leicht loswird. Wie geht es Ihnen?

Ofczarek: Drehen ist unromantischer. Der Ziel ist natürlich, dass man am Abend einfach heimgeht und sich auf den nächsten Tag vorbereitet. Was mir Unwohlsein bereitete, war etwas ganz anderes, nämlich einen ganzen Tag auf einem Hochhaus zu stehen oder drei, vier Stunden nackt vor 30 Menschen zu tanzen. Das ist für mich der Einschnitt. Nach einiger Zeit passiert es allerdings doch, dass die Energie von so einem Menschen sich in einem seltsam anfühlt.

STANDARD: Ist das Böse in allen?

Ofczarek: Ich denke ja. Schauen Sie sich unser aller Biografien an. Soziopathen gibt es überall. Ich bin in meinem Beruf vielen begegnet. Ich hatte schon Chefs, Vorgesetzte oder Regisseure, die waren nicht normal. Wie sie mit Menschen umgehen, oder Kollegen, die über Leichen gehen. Das werden Sie aber in jedem Beruf finden. Deshalb fasziniert das ja auch so. Wir müssen uns nur anschauen, wie viele Krimis es gibt.

STANDARD: Wo sehen Sie dann das Böse in sich?

Ofczarek: Das Böse in mir? Ich weiß es nicht. Ich versuche ein relativ korrekter und ein respektvoller Mensch zu sein. Ist das böse, dass ich mich manchmal ohnmächtig und hilflos fühle und dann auch über Grenzen gehe, wie es jeder von uns tut? Ich werde nichts darüber sagen, was das Böse in mir ist, aber ich versuche es zu transformieren in Kreativität. Ich habe keine Riesengewaltbereitschaft in mir, die ich ausleben muss. Mit dem bösartigen Potenzial in mir kreativ umzugehen und es in Unterhaltung oder Sport zu transformieren ist das Beste, was ich tun kann.

STANDARD: Und das mündet im besten Fall im "Flow-Erlebnis".

Ofczarek: Wenn es gut läuft, hat man das manchmal. Man kann Theater spielen auch mit 40 Grad Fieber. Wenn man sich bei einer Vorstellung wehtut, spürt man nichts. Beim Drehen ist es schwieriger, weil die Szenen eher kurz sind. Aber wenn der Rhythmus stimmt, wenn du die Kamera spürst, der Kollege richtig steht, dann kommt man in so eine Art Flow, und das ist wahrscheinlich der Grund, warum man den Beruf ausübt.

STANDARD: Sind Sie ein "Tatort"-Schauer?

Ofczarek: Nein. Ich bin überhaupt kein großer Fernsehschauer, außerdem spiele ich oft an Sonntagen Theater, und wenn ich einmal daheim bin, schaue ich nicht fern.

STANDARD: Haben Sie trotzdem ein Lieblingspaar?

Ofczarek: Ich mochte die Leipziger Martin Wuttke und Simone Thomalla gern.

STANDARD: Sie stehen vor den Dreharbeiten zum "Landkrimi" mit David Schalko. Sind Sie da der Böse oder der Gute?

Ofczarek: Ich darf nichts darüber sagen, nur so viel: Es ist ein sehr interessantes Buch.

STANDARD: Wie beurteilen Sie "Altes Geld" im Nachhinein?

Ofczarek: Ich tue mir auch da schwer, etwas zu sagen, ich bin ja Bestandteil dieser Serie und denke, wir haben alle unser Bestes getan. Ich für mich weiß nicht, was ich anders hätte machen können. Es wäre auch falsch, jemandem von hier aus etwas auszurichten. Falls es die Verantwortlichen interessiert, kann ich gerne meine Einschätzung dazu geben. (Doris Priesching, 10.4.2016)