Salzburg – Nach vier Verhandlungstagen haben am Freitag die Geschworenen ein Urteil gefällt und Björn Erik W. wegen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach Paragraf 3f schuldig gesprochen. Der Obdachlose soll zwischen Juni 2013 und Juni 2015 in der Stadt Salzburg 53 nationalsozialistisch motivierte Sachbeschädigungen begangen haben. Fünf Jahre Haft befand der Geschworenensenat.

Die außerordentliche Strafmilderung – der Strafrahmen liegt für Paragraf 3f zwischen zehn und 20 Jahren – begründete Richterin Bettina Maxones-Kurkowski mit dem umfassenden Geständnis, das einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Straftaten darstellte, und der eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten. Erschwerend seien die Vielzahl an Taten und die Vorstrafen anzurechnen. Dennoch würden die Milderungsgründe überwiegen. Gleichzeitig müsse man die "leichte Verwirklichung an sich schwerer Strafbestände berücksichtigen". Die Richterin sprach den hohen Strafrahmen für nationalsozialistisch motivierte Sachbeschädigung an.

Björn Erik W. hat das Urteil ohne Rücksprache mit seinem Pflichtverteidiger angenommen. "Es kann eh nicht besser werden." Staatsanwalt Marcus Neher hat Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung eingelegt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Bei seinen Einvernahmen hatte der rhetorisch gewandte Mann kein Hehl aus seiner Gesinnung gemacht. Er bezeichnete sich selbst als "verkappten Hitleristen", er stehe zum NSU, Combat 18 und Adolf Hitler, und Anders Behring Breivik hätte er freigesprochen. Seine Sachbeschädigungen hätten aber keinen NS-Hintergrund, erklärte der 40-Jährige.

Wut, Zorn und Hass auf Politik

"Ich bin kein Nazi. Ich hatte Wut auf die Politik. Die Demokraten haben auch nicht bewiesen, dass die Demokratie das Bessere ist", sagte W. Die Nazi-Symbolik habe er verwendet, um Wut, Zorn und Hass auf die Politik auszudrücken. Aus Frust habe sich auch seine NS-Gesinnung entwickelt, erklärte er in seinen Schlussworten. "Das ist durch meine Obdachlosigkeit passiert. Ich hoffe, dass Sie mit mir Verständnis haben und mir eine zweite Chance geben im christlichen Sinne", bat er die Geschworenen.

W. soll fünfmal das Widerstandsdenkmal auf dem Salzburger Kommunalfriedhof mit Namen bekannter Rechtsextremer und Nationalsozialisten beschmiert haben, NS-Parolen auf Parteizentralen, das Integrationshaus, die Caritas und Schulen gesprayt haben, zehn Stolpersteine unkenntlich gemacht und mehrere Plakate der Aktion #88gegenrechts ruiniert haben. Höhepunkt der Vandalenakte war am 13. Mai 2014 die Zerstörung des an die Opfer des Nationalsozialismus erinnernden Euthanasie-Mahnmals im Salzburger Kurgarten.

Staatsanwalt: Schreit nach NS-Gesinnung

Von Anfang an hatte W. zugegeben, die Taten begangen zu haben. Nur bestritt er den NS-Hintergrund und damit die Wiederbetätigung. Staatsanwalt Marcus Neher erklärte, noch nie habe er bei einem Angeklagten "so viel Offenkundiges, das nach einer nationalsozialistischen Gesinnung schreit", vorzubringen gehabt. W. habe einschlägige Vorstrafen, gebe die Taten zu, bezeichne sich selbst als "Hitleristen" und habe in seiner Befragung erklärt, sich ganz bewusst der Nazi-Symbolik bedient zu haben.

W.s Versuch, die Gratwanderung zwischen nationaler und nationalsozialistischer Gesinnung zu schaffen, sei gescheitert, meinte Neher. Der Angeklagte habe ganz offenkundig eine Sympathie und Affinität für den Nationalsozialismus. Er habe Symboliken verwendet, die in der rechten Szene kein Allgemeingut seien, sondern die nur der harte Kern kenne, betonte der Staatsanwalt. Als Beispiel nannte Neher die "14 Words" des amerikanischen Rassisten und Neonazis David Eden Lane, die der Angeklagte "aus dem Stegreif" könne und die er nach eigenen Angaben auch verbreiten wolle. Auch das von der White-Power-Bewegung und dem Ku-Kux-Klan verwendete Keltenkreuz und die Wolfsangel, die als Abzeichen der Panzer-SS verwendet wurde, fanden sich in seinem Repertoire.

Besonders hervorheben wollte Neher in seinem Schlussplädoyer die Beschmierung von Schulen. Der Angeklagte habe ganz bewusst Links zu rechtsradikalen Websites an die Schulen gesprayt. "Er liefert die Rechtsdoktrin den Schülern frei Haus", sagte der Staatsanwalt. Bereits 2007 habe er in rechtsradikalen Foren vorgeschlagen, so Schüler zum Rechtsrock zu bringen. Zudem habe er die Idee geäußert, eine Anti-Israel-CD zu entwerfen und an Schulen zu verteilen.

Persönlichkeitsstörung und Identitätskrise

Der Pflichtverteidiger unterstrich vor den Geschworenen in seinem Plädoyer die Persönlichkeitsstörung seines Mandanten. Diese gehöre behandelt. "Wäre er bei seinen ersten Verurteilungen wegen Verhetzung bereits behandelt worden, dann würden wir heute nicht hier sitzen", sagte Jörg Dostal. W. habe als Kind schlechte Erfahrungen mit Ausländern gemacht und eine Identitätskrise als Österreicher in Deutschland mit einem türkischen Vater durchlaufen.

Das psychologische Gutachten attestierte dem Angeklagten, zu den Tatzeiten zurechnungsfähig gewesen zu sein. Er habe zwar eine Persönlichkeitsstörung, aber diese sei nicht sehr ausgeprägt. Seine politische Gesinnung sei kein Krankheitsbild.

Einen NS-Hintergrund über alles zu stülpen gehe nicht, betonte der Verteidiger. Sein Mandant habe nicht einmal gewusst, dass es sich um ein Euthanasie-Mahnmal handle, er habe sich an der Politik rächen wollen. "Er beschreibt sich als einsamen Wolf und ist bei keiner Gruppierung dabei. Nazis treten im Rudel auf." Dostal bat die Geschworenen, seinen Mandanten wegen der Sachbeschädigungen zu bestrafen. Seine Vorgeschichte und sein geistiger Zustand seien wichtig, um ihn zu verstehen. (Stefanie Ruep, 8.4.2016)