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Die Eiskappen der Alpen werden immer kleiner. Dafür wird man in Zukunft immer mehr Gletscherseen (hier am Matterhorn) sehen.

Foto: AP Photo/Keystone, Olivier Maire

Innsbruck – Laut dem in Innsbruck präsentierten Gletscherbericht 2014/15 sind von den 92 beobachteten heimischen Gletschern 88 geschrumpft, nur ein einziger ist vorgestoßen. Der mittlere Längenverlust liegt mit 22,6 Metern deutlich über den Werten der Vorjahre, bilanziert die Glaziologin Andrea Fischer. Und das wird in den kommenden Jahrzehnten so weitergehen. "Die Gletscher müssen weiter zurückgehen, weil sie noch nicht im Gleichgewicht mit dem derzeit vorherrschenden Klima sind", sagt Fischer.

Vor rund 10.000 Jahren seien die Eisriesen noch sehr viel kleiner gewesen als derzeit. So sei beispielsweise im Herbst 2014 auf der Pasterze ein sechs Meter langer und eineinhalb Tonnen schwerer Zirbenstamm gefunden worden. Die Zirbe war, wie Untersuchungen der Jahresringe ergeben hätten, vor etwa 6.000 Jahren an einer Stelle gewachsen, die erst vor wenigen Jahren eisfrei geworden war. Ob es an den Stellen der österreichischen Gletscher jemals keine Gletscher gegeben habe, wisse man nicht, sagte die Glaziologin. Denn Bohrkerne mit denen das Alter des Eises festgestellt werden könne, gebe es bisher nur in der Schweiz.

Eines fernen Tages werden die Gletscher sicher wieder wachsen

Ob die heimischen Gletscher jemals gänzlich verschwunden sein werden, ließe sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Rund um das Jahr 2050 werde es jedenfalls sehr spannend, meinte Fischer. "Die Zukunftsszenarien des Klimawandels gehen dann nämlich sehr weit auseinander und sind noch sehr unsicher", sagte die Glaziologin. Spätestens in 90.000 Jahren werden die Gletscher aber wieder größer, da dann die nächste Eiszeit eintrete und die Gletscher sogar bis ins Inntal vorstoßen werden, prognostizierte Fischer.

Auswirkungen der Gletscherschmelze würden sich in unmittelbarer Nähe der Gletscher aber schon sehr rasch zeigen. "Unter dem Eis liegt Schutt, schmilzt das Eis wird dieser leichter transportierbar und es kommt zu Muren und Steinschlägen", meinte Fischer. Außerdem könne das Auftauen des Permafrosts zu Massenbewegungen im Gebirge führen. Für Fauna und Flora bringe die Gletscherschmelze auch Positives. "Die Pflanzen und Tiere rücken in die höher gelegenen Regionen nach und es kommt zu einer raschen Widerbesiedelung dieser Flächen", erläuterte die Expertin.

Die Gletscher im Überblick

Drei Gletscher hat die Hitze im vergangenen Jahr besonders schwer getroffen. Das Horn Kees in den Zillertaler Alpen wurde um 136 Meter kürzer. Der Gepatsch Ferner in den Ötztaler Alpen sei um 121,5 Meter zurückgegangen, und auch der Taschach Ferner im Pitztal verlor 101 Meter an Länge. 2013/14 habe es im Vergleich dazu keinen Rückgang von über 100 Metern gegeben.

Der Eiskar Gletscher in den Karnischen Alpen, der Grünau Ferner in den Stubaier Alpen und der Wandnischengletscher Roter Knopf in der Schobergruppe blieben stationär. Einzig das Winkl Kees in der Ankogel- Hochalmspitz Gruppe ist um viereinhalb Meter vorgestoßen. Das Schwinden von Österreichs größtem Gletscher, der Pasterze, liege mit einem Verlust von 54,4 Metern in derselben Größenordnung wie in den Vorjahren.

"Viel zu warmes Messjahr"

Die Mitteltemperatur der Bergstationen Sonnblick, Säntis und Zugspitze sei von Oktober 2014 bis September 2015 um 2,3 Grad Celsius über dem langjährigen Mittel gelegen. Der November sei sogar um 5,1 Grad Celsius zu warm gewesen, der Juli um 4,9 Grad und der August um vier Grad. Die Abweichung des Jahres 2015 sei damit der höchste Wert seit Beginn der homogenisierten Datenreihen aller drei Stationen im Jahr 1901.

"Lange andauernde Hochdrucklagen und das Ausbleiben sommerlicher Schneefälle, das sind die Zutaten für ein viel zu warmes Messjahr und damit Grund für die aktuellen Gletscherrückgänge", erklärte Fischer. Auf den Gletschern habe zu Beginn des Frühjahrs der Schnee aus dem Herbst gefehlt. Im Hochsommer hätten Kaltlufteinbrüche mit Schneefällen auf den Gletschern gefehlt und auch die nächtliche Abkühlung habe die Schmelze in den extrem warmen Monaten nicht unterbrechen können, so die Glaziologin.

Mehr Gletscherseen

Während die Eiskappen schwinden, wird dafür ein anderes Landschaftsmerkmal immer häufiger: Gletscherseen. Mehr als 200 haben sich in den vergangenen 150 Jahren gebildet, berichtete der Salzburger Forscher Jan-Christoph Otto am "Österreichischen Klimatag" in Graz.

Im Zuge des Projektes "Futurelakes" hat ein Forscherteam um Otto ein Inventar aller Seen oberhalb von 1.700 Metern Seehöhe erstellt. Die 1.626 kartierten Seen decken eine Wasserfläche von rund 25 Quadratkilometer ab. Durch die Verknüpfung mit den österreichischen Gletscherinventaren seit 1850 konnten die Forscher auf ihre Entstehungszeit rückschließen: Demnach sind seit 1850 in Österreich 265 neue Gletscherseen entstanden. "Mehr als 200 sind weniger als 150 Jahre alt und die Daten zeigen, dass die Zahl der neu entstandenen Seen seit Ende der 1970er-Jahre zunimmt", so der Projektleiter.

Grau und Grün werden Weiß ablösen

Die Becken der Gletscherseen sind eine Folge der Erosion, die unter dem Eis eine Senke aushöhlen kann. In dieser kann durch das weitere Abschmelzens des Eises ein See entstehen. Alternativ kann sich Wasser hinter einer Barriere aus Moränenschutt oder Eis, oder einer Massenbewegung ansammeln. Ziel der im Projektteam versammelten Glaziologen, Geomorphologen und Hydrologen ist es auch, in die Zukunft der Seenbildung unter den österreichischen Gletschern zu blicken: "Wir modellieren den Felsuntergrund mithilfe von digitalen Geländemodellen, um mögliche Vertiefungen zu erkennen", so der Experte.

"Die ersten Ergebnisse deuten an, dass sich unter den Gletschern mehr als 150 Vertiefungen befinden", schilderte Otto. Falls sie tatsächlich Gletscherseen werden, könnten sie ein Gesamtvolumen von 230 Millionen Kubikmetern aufstauen. Dementsprechend wird laut Otto das hochalpine Landschaftsbild in 50 Jahren ein ganz anderes sein: "Die weiße Farbe wird vielerorts fehlen, dafür werden Grau und Grün das Bild bestimmen." (APA, red, 8. 4. 2016)