Belgrad/Wien – Kroatien hat am Freitag die Öffnung eines weiteren Kapitels bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien in Brüssel blockiert. Die EU-Arbeitsgruppe für Erweiterung beendete laut Belgrader Medienberichten daher ein Treffen in Brüssel mangels Zustimmung Kroatiens zur Öffnung des Beitrittskapitels 23 (Justiz und Grundrechte) mit Serbien.

Wie die serbische Chefverhandlerin Tanja Miscevic gegenüber serbischen Medien daraufhin erläuterte, wurde das Thema von der Tagesordnung der EU-Arbeitsgruppe gestrichen, nachdem die Vertreterin Kroatiens erklärt habe, dass sie "keine Instruktionen" Zagrebs erhalten habe. Die den EU-Ratsvorsitz führenden Niederlande hatten sich zuvor bereit erklärt, die Öffnung des neuen Beitrittskapitels am 20. und 21. Juni zu bewerkstelligen. Hintergrund des Zwists ist offenbar vor allem ein serbisches Gesetz zur Verfolgung von Kriegsverbrechen.

"Serbien wird kein Ultimatum akzeptieren"

Belgrad zeigte sich über die Blockade Kroatiens in der EU-Arbeitsgruppe überrascht. "Die Regierung Serbiens ist über den Beschluss Kroatiens, den europäischen Weg Serbiens nicht zu unterstützen, verblüfft", teilte Premier Aleksandar Vucic in einer Aussendung am Abend mit. Kroatien habe keinen guten Grund für sein Vorgehen. "Serbien hat die Position der Republik Kroatien zur Kenntnis genommen. Es wird nicht zulassen, durch irgendjemanden in Europa und in der Welt, auch nicht durch die Republik Kroatien, auf irgendeine Weise erpresst, erniedrigt oder verachtet zu werden", hieß es ferner in der Aussendung.

Bei einer Kundgebung seiner Serbischen Fortschrittspartei (SNS) meinte Vucic zuvor, dass sein Land von niemandem als "Sandsack" behandelt werden könne. Im staatlichen Fernsehen RTS äußerte sich der Premier am späten Freitagabend dann offen empört. "Sollen wir jetzt (vor Kroatien) auf die Knie fallen und betteln?", fragte er. "Serbien wird kein Ultimatum akzeptieren."

Streitpunkt Kriegsverbrechen

Österreich sei für weitere Fortschritte im Beitrittsprozess Serbiens, zitierte die amtliche serbische Nachrichtenagentur Tanjug Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag in Reaktion auf die Entwicklungen. Auf die Frage, ob sich die österreichische Regierung bei Kroatien für einen Stopp der Blockade einsetzen werde, sagte Kurz demnach, dass eine solide Beitrittsperspektive für die Westbalkan-Staaten von großer Wichtigkeit für Österreich sei. Serbien sei ein Stabilitätsanker in der Regierung, Vucics Regierung habe insbesondere in der Wirtschaft wichtige Reformen durchgeführt und sei im Dialog mit dem Kosovo weitergekommen, betonte Kurz.

Kroatien, jüngstes, 2013 beigetretenes EU-Mitglied und ehemaliger Kriegsgegner Serbiens, hatte zuvor seine Zustimmung zur Öffnung des Kapitels 23 an die Änderung des serbischen Gesetzes zur universalen Zuständigkeit für Kriegsverbrechen. Dieses erlaubt es denn serbischen Justizbehörden, mutmaßliche Kriegsverbrecher auch für Taten zu verfolgen, die außerhalb Serbiens begangen wurden. Davon könnten auch Kroaten betroffen sein, die während des Krieges 1991-95 Verbrechen an der serbischen Bevölkerung in Kroatien begingen. Weitere Streitpunkte im Verhältnis Serbien-Kroatien sind die Vertretung der kroatischen Minderheit im serbischen Parlament und die Zusammenarbeit Belgrads mit dem UNO-Kriegsverbrechertribunal.

Vucic hat eine Änderung des kontroversen Gesetzes aus dem Jahr 2003 ausgeschlossen. Auf Basis dieses Gesetzes seien in den vergangenen Jahren auch wegen Kriegsverbrechen Verdächtige in Vukovar (Kroatien) und Srebrenica (Bosnien) festgenommen worden, betonte er. Das Verhältnis zwischen Serbien und Kroatien ist wegen des Krieges beim Zerfall Jugoslawiens nach wie vor angespannt. (APA, dpa, 9.4.2016)