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Fahrzeugräder werden nicht mehr unter der Klassenüberschrift "Fahrzeuge" geführt.

Foto: AP / Jens Meyer

Wien – Ein für die Praxis wichtiger Punkt der neuen EU-Markenverordnung (siehe Artikel Mehr Markenschutz gegen Piraten und Nachahmer) ist die Beschränkung des Schutzumfanges von bereits eingetragenen Unionsmarken (bisher "Gemeinschaftsmarken").

Bei einer Markenanmeldung ergibt sich der Umfang des Markenschutzes aus den spezifischen Waren oder Dienstleistungen, die der Anmelder in seinem Antrag beansprucht.

Sämtliche denkbaren Waren (einschließlich Dienstleistungen) sind nach der "Nizzaer Klassifikation" in 45 Klassen eingeteilt. Jede Klasse enthält eine Klassenüberschrift, die allgemeine Angaben über die Art der Waren der jeweiligen Klasse umfasst. So lautet die Überschrift der Klasse 12 "Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser".

Daneben gibt es jeweils eine umfassende Liste aller Waren, die in der Klasse enthalten sind. Diese fallen teilweise unter einen der Oberbegriffe in der Klassenüberschrift – z. B. in Klasse 12 "Autobusse", "Boote", "Campingwagen" und "Mopeds", die alle "Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser" sind -; teilweise aber nicht. So fallen in Klasse 12 "Fahrzeugräder", "Airbags" und "Chassis für Fahrzeuge" nicht unter die Überschrift.

Wenn bei einer Markenanmeldung eine Klassenüberschrift angegeben ist, ging man bis 2012 überwiegend davon aus, dass Schutz für sämtliche Waren der betroffenen Klasse gewährt wird. D. h. auch für jene, die über die wörtliche Bedeutung der Überschrift hinausgehen: Bei Beanspruchung der Überschrift der Klasse 12 wurde auch Schutz für "Fahrzeugräder" gewährt.

Da diese Ansicht umstritten war, stellte der Europäische Gerichtshof im Juni 2012 in seiner Entscheidung IP Translator (C-307/10) klar, dass eine Marke, die bloß für eine oder mehrere Klassenüberschriften registriert wird, nur noch für jene Waren geschützt ist, die nach dem allgemeinen Verständnis eindeutig unter die Begriffe dieser Überschriften fallen.

Fraglich war damals, ob bei der Eintragung der ganzen Überschrift der Klasse 41 ("Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten") auch Schutz für "Übersetzungsdienstleistungen", die zur Klasse 41 gehören, gewährt wird. Aufgrund der bloßen Angabe dieser Klassenüberschriften war es oft schwierig, den genauen Schutzumfang einer Marke zu bestimmen.

Kein Schutz mehr für Räder

Durch die Klarstellung des EuGH sollte eine Marke, die in Klasse 12 nur für die Klassenüberschrift eingetragen wurde, nicht mehr für z. B. "Fahrzeugräder" geschützt werden. Oder: Unter "Musikinstrumente" (Überschrift der Klasse 15) fallen "Geigen", jedoch nicht mehr "Kinnhalter für Geigen"; seit dem Urteil muss für diese gesondert Markenschutz beansprucht werden. Die Abgrenzung ist mitunter schwierig und muss von Fall zu Fall geprüft werden.

Da dieses Urteil nur die zukünftige Praxis geändert hat, muss nun noch der Schutzumfang der älteren Marken jenem der neuen Marken angeglichen werden. Daher sind Unionsmarken, die vor dem 22. Juni 2012 angemeldet wurden und die für eine oder mehrere Klassenüberschriften eingetragen wurden, von den Neuerungen betroffen.

Inhaber solcher Marken können bis spätestens 24. 9. 2016 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ("EUIPO") eine Erklärung abgeben, dass sie seinerzeit bei der Anmeldung beabsichtigten, den Schutz von Waren bzw. Dienstleistungen zu beanspruchen, die über die wörtliche Bedeutung der Klassenüberschrift hinausgehen. Wird bis dahin keine Erklärung eingereicht, wird der Schutzumfang der Marke automatisch auf diejenigen Waren eingeschränkt, die klar unter den Wortlaut der Überschrift fallen.

Ehestmögliche Prüfung

Für welche Unionsmarken besteht daher Anpassungsbedarf? Werden z. B. Bücher veröffentlicht oder Übersetzungsdienstleistungen unter einer Marke angeboten, die bisher nur für die Klassenüberschrift "Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten" eingetragen wurde, ist es eindeutig nötig, dem EUIPO ein neues Dienstleistungsverzeichnis zu übermitteln, um weiterhin Markenschutz für diese Tätigkeiten zu genießen.

Inhabern von solchen älteren Unionsmarken sollten daher das Verzeichnis ihrer Unionsmarken ehestmöglich prüfen lassen und gegebenenfalls dem EUIPO fristgerecht eine Erklärung zur Klarstellung des Schutzumfangs vorlegen. (Martin Reinisch, Natalie Gaucher, 11.4.2016)