Mehr als zwei Monate lang hat Ägypten verschiedenste Erklärungen abgegeben, doch am Foltertod des 28-jährigen Italieners Giulio Regeni in Kairo kann es mittlerweile keinen Zweifel mehr geben. Und dass die ägyptische Staatsanwaltschaft die Handydaten Regenis nicht preisgibt, mag zwar datenschutzrechtlich nachvollziehbar sein, entkräftet gleichzeitig aber auch nicht die Vorwürfe aus Rom, die ägyptische Staatssicherheit könnte hinter Regenis Tod stehen.

Doch nicht nur auf Ägyptens Führung, sondern auch auf Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi lastet immenser Druck: Er hätte früher – und vor allem entschiedener – reagieren müssen. Renzi mag ja der Ansicht sein, er befinde sich in einem Dilemma, in dem es um die Abwägung individueller Gerechtigkeit gegen milliardenschwere Wirtschaftsinteressen geht. Doch in Wirklichkeit hat er keine Alternative: Die Angelegenheit im Sande verlaufen zu lassen, würde von vielen Italienern als Verhöhnung des Toten und seiner Angehörigen empfunden und würde auch das Ansehen der italienischen Regierung in der Welt in Frage stellen.

Stärke zeigen, Druck ausüben

Und nicht zuletzt aus innenpolitischen Erwägungen bleibt Renzi nichts anderes übrig, als Stärke zu zeigen und Druck auf Kairo auszuüben: In einer aktuellen Umfragen des Institus Demos für die renommierte Tageszeitung "La Repubblica" vertritt eine beeindruckende Mehrheit der Befragten die Meinung, die italienische Politik sei korrupter als jemals zuvor – und das will was heißen. Damit ist namentlich die Regierung Renzis gemeint, deren Rücktritt 45 Prozent der Befragten fordern.

Und der muss jetzt alle Hebeln in Bewegung setzen, um wieder mehr Glaubwürdigkeit und Rückhalt zu bekommen. Denn im Fall einer Neuwahl würde die Macht jetzt an die Protestpartei von Beppe Grillo gehen. So gesehen, werden Renzis Bewegungen in der "Causa Regeni" auch innenpolitisch zu bewerten sein. (Gianluca Wallisch, 10.4.2016)