Peter Pilz mit seiner Pez-Pistole aus der Schublade: In einem Wiener Waffengeschäft wollte der Grüne ein Sturmgewehr kaufen und erst im allerletzten Moment kneifen. Aber leider: Die Lieferzeit beträgt derzeit zwei, drei Monate.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Peter Pilz ist wild entschlossen: Ein Sturmgewehr will sich der grüne Gottseibeiuns aller Waffenliebhaber kaufen – und erst im allerletzten Moment kneifen. Mit dem STANDARD im Schlepptau betritt er ein Wiener Traditionsunternehmen in einem schicken Multikulti-Bezirk. Überall in dem kleinen, dunklen Geschäft stehen und hängen Büchsen, Flinten, Knarren, vorbildlich verwahrt in versperrbaren Glasvitrinen. "Wir interessieren uns für das AUG-Z", sagt der Abgeordnete bestimmt im Insiderjargon – und meint damit die halbautomatische Variante des Gewehrs des Bundesheeres für den zivilen Gebrauch.

Pilz fliegt an der Budel auf

Doch Pilz fliegt schon an der Budel auf. Denn der Ladenbesitzer, gerade mit einem Burschen beschäftigt, der sich zwei Luftdruckgewehre zulegen will, schaut nur kurz auf – und beim Anblick des berüchtigten Grünen huscht sofort ein erkennendes Lächeln über sein Gesicht. "Passt gar net zu Ihnen", sagt er trocken – und wuchtet trotzdem einen langen Karton auf den Verkaufstisch.

Nur homöopathische Dosen

Da drinnen liegt das gewünschte 3,6 Kilogramm schwere, metallene Ungetüm um 2380 Euro – doch der Waffenhändler muss Pilz leider enttäuschen. Denn die Lieferzeit für so ein Trum der Firma Steyr Mannlicher beträgt seit einem Dreivierteljahr zwei, drei Monate. "Wegen eines großen Behördenauftrags", weiß der Geschäftsinhaber. Und für ihn gäbe es seitdem nur "homöopathische Dosen" von "drei, vier Stück".

Mission gescheitert

Damit ist Pilz' Mission zumindest für diesen Tag gescheitert. Denn die Aktion sollte zeigen, dass halbautomatische Langwaffen mit großen Magazinen, die die EU-Kommission seit den Terroranschlägen in Paris gern verbieten möchte, auch hierzulande mit Waffenbesitzkarte recht leicht erhältlich sind. Im Parlament sträubt sich eine breite Allianz aus ÖVP, FPÖ, dem Team Stronach und den Neos gegen strengere Auflagen aus Brüssel, weil sie den gut organisierten Jägern und Sportschützen nicht den Spaß an ihrer "harmlosen" Leidenschaft verderben will.

Überschießende Verbote

Und so sieht man das auch in dem kleinen Waffengeschäft. Eine solche Reaktion auf die Terroristen dieser Welt hält hier auch die Kundschaft für überschießend – noch dazu, wo die Attentäter in Frankreich mit illegal erstandenen Kalaschnikows in der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und in der Konzerthalle Bataclan in die Menge geballert – und dort ein Blutbad mit insgesamt 101 Toten angerichtet haben. Vorher schon, 2011, ermordete der rechtsextreme Norweger Anders Breivik mit einer Ruger 77 Menschen auf der Insel Utøya.

Grotesk wie Abschaffung von 500-Euro-Noten

Deswegen gleich EU-weit den Verkauf und Erwerb fast aller halbautomatischen Langwaffen zu verbieten, qualifiziert der Wiener Verkäufer als ähnliche "Groteske" wie den Plan der Europäischen Zentralbank, den 500-Euro-Schein abzuschaffen, auch um Terroristen ihre millionenschweren Geschäfte zu verpfuschen.

Keine Sportschützen in Stadien

Ähnlich sieht das der EU-Abgeordnete Harald Vilimsky von der FPÖ, zwar nicht mit im Geschäft, aber stolzer Besitzer von "zwei Faustfeuerwaffen und einer Langwaffe", die er nicht näher spezifizieren will. "Es ist ja nicht so", dass die von der Exekutive ständig streng überprüften "Sportschützen in die Stadien reinrennen", um dort etwas anzurichten, sagt Vilimsky. Und: Er wäre "der Erste", der sich bei einer Zunahme solcher Fälle für strengere Gesetze rund um den Waffenkauf einsetzen würde. Doch die EU-Grenzschutzagentur Frontex habe erst unlängst vorgerechnet, dass allein in Bosnien rund 800.000 Waffen in illegalem Besitz sind – um dieses gefährliche Potenzial möge sich die Union bitteschön doch zuallererst kümmern, meint der FPÖ-Mann.

Lauter Einzelfälle

Der Sicherheitsbericht des Bundeskriminalamtes verzeichnete für 2014 exakt 1212 Delikte, die hierzulande mit Schusswaffen angerichtet wurden. Die Auflistung der Vergehen reicht von Mord über schwere Körperverletzung bis hin zu Freiheitsentzug und schwerer Nötigung. Aber freilich lauter Einzelfälle. Karl-Heinz Grundböck vom Innenministerium erklärt dazu: "Die Statistik unterscheidet beim Waffengebrauch nicht zwischen legalem und illegalem Besitz – und obwohl die Kriminalitätsrate insgesamt sinkt und 2015 auf einem Tiefstand seit mehr als zehn Jahren angelangt ist, steigt jetzt offenbar die Furcht vor Kriminalität in der Bevölkerung."

Fragwürdige Tendenz

Angesichts von Terrorgefahr und Flüchtlingskrise erwägen laut jüngsten Umfragen derzeit bereits vierzehn Prozent der Österreicher den Kauf einer Waffe, um sich selbst zu schützen – zuletzt bekannte sich Robert Lugar vom Team Stronach zu diesem Ansinnen. "Wir sehen diese Tendenz skeptisch", sagt Grundböck.

Nichts für schräge Typen

Der Händler versichert aber, dass er nahezu all seine Kunden gut kenne – und wenn "schräge" oder "seltsame" Typen hereinkämen, um sich eine Waffe zu besorgen, dann "komplementiere" er die schleunigst "hinaus". Halbautomaten wie das AR15 vom deutschen Hersteller Schmeisser seien derzeit gar nicht lieferbar, erzählt er – weil wegen der Drohungen der EU die Nachfrage derart gestiegen sei. Die meisten Bestellungen kämen aber aus Frankreich, weil dort die Bürger das Vertrauen in die staatlichen Stellen verloren hätten.

Keine grüne Jagd auf Jäger

Für die Jägerschaft kann Pilz dem Unternehmer Entwarnung geben, denn: "Ich hab kein Problem mit Jägern – und ein komplettes Verbot für Halbautomaten ist unwahrscheinlich. Es wird daher eher welche mit weniger Feuerkraft und kleinerer Magazingröße geben", sagt er. Der Abschied fällt beinahe herzlich aus. "Ich darf Sie beim Wort nehmen!", sagt der Verkäufer erleichtert. Denn Pilz habe offenbar nichts gegen den Waffenbesitz an sich, sondern bloß etwas gegen bestimmte Gattungen.

Saures Ende

Gleich ums Eck biegt der Grüne bei einem Italiener ein. Statt Sturmgewehr ersteht Pilz dort ein Sackerl – voll angefüllt mit frisch importierten Zitronen. (Nina Weißensteiner, 11.4.2016)