Ähnliche Frisur, ähnliches Temperament: Dem neuen Innenminister Wolfgang Sobotka wird ein ebenso großes Ego wie Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll nachgesagt.

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Erwin Pröll beim Eintreffen zum Bundesparteivorstand am Sonntagabend.

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Mitterlehner, Mikl-Leitner, Pröll und Sobotka: Zwei Wochen vor der Bundespräsidentenwahl werden die Ämter gewechselt.

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Wien – Das Innenministerium bekommt einen neuen Chef, und wieder kommt er aus Niederösterreich: Landeshauptmann Erwin Pröll schickt Wolfgang Sobotka, bisher Finanzlandesrat, nach Wien. Zum achten Mal in Folge ist das Innenministerium damit in ÖVP-Hand. Johanna Mikl-Leitner wechselt – auf eigenen Wunsch, wie in der offiziellen Darstellung beteuert wird – zurück nach St. Pölten, wird dort wieder Landesrätin und auch Landeshauptmann-Stellvertreterin. Sie soll damit von Pröll als kommende Landeshauptfrau aufgebaut werden.

Mitterlehner "vor einigen Tagen informiert"

Beim Parteivorstand am Sonntag in der Politischen Akademie der ÖVP in Wien wurde die Rochade einstimmig beschlossen. Der Vorstand der ÖVP Niederösterreich hatte zuvor Mikl-Leitner ebenfalls ohne Gegenstimmen als Landeshauptmann-Stellvertreterin fixiert. Schon bei der Landtagssitzung am 21. April – also noch vor der Bundespräsidentenwahl – soll Mikl-Leitner laut STANDARD-Informationen zur Landesrätin gewählt werden.

Um Punkt 19 Uhr trat die ÖVP-Spitze dann am Sonntagabend vor die Presse. Parteichef Reinhold Mitterlehner sagte, dass Mikl-Leitner ihn "vor einigen Tagen" informiert habe, dass sie zurück in ihr Heimatland wolle – und das habe er "mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen. Ich konnte sie nicht überzeugen, in der Bundespolitik zu bleiben."

Alte Versprechen, neue Aufgaben

Das wäre, folgt man den Worten Prölls, aber auch gar nicht möglich gewesen. Denn laut Pröll hat die Rochade eine fünfjährige Vorgeschichte: Als der frühere ÖVP-Chef Michael Spindelegger die damalige niederösterreichische Landesrätin Mikl-Leitner in die Bundespolitik holen wollte, habe das "großer Überredungskunst bedurft", sagt Pröll. Denn "ein bewährtes Mitglied der Landesregierung gibt man nicht so mir nichts, dir nichts frei". Er habe Mikl-Leitner aber damals zugesagt, "dass wir sie eines Tages wieder in die Landespolitik zurückholen" – und zwar binnen drei Jahren. Nun seien es eben doch fünf geworden.

Prölls Version

Der Zeitpunkt der Rochade sei mit der Mitte der Regierungsperiode "gut gewählt", glaubt Pröll, der darin den "richtigen Abstand zur nächsten Wahl" sieht. Der auch parteiintern geäußerten Kritik, dass der Wechsel übereilt erfolge, hält Pröll sein eigenes Timing entgegen: Er habe "schon Anfang März" Kontakt mit Sobotka und Mikl-Leitner aufgenommen, um die Rochade zu fixieren. Erst danach habe man auch mit Parteichef Mitterlehner gesprochen und den Wechsel mit "spätestens Ende April" terminisiert.

Sobotka behält Linie bei

Mikl-Leitner selbst zeigte sich beim Pressetermin gut gelaunt. "In einigen Tagen habe ich wohl den schwierigsten Job in dieser Republik hinter mir", freute sich die Noch-Innenministerin. Ihr Nachfolger Sobotka sei "der Richtige", um ihre Arbeit "nahtlos" fortzusetzen. Dass die Linie fortgesetzt wird, daran lässt Sobotka keinen Zweifel: "Wir setzen Grenzen, und solange die EU nicht zu einer ganzheitlichen Situation kommen wird, ist das für uns die Maxime." Mikl-Leitners Funktion als Regierungskoordinatorin wird auf Staatssekretär Harald Mahrer übergehen.

Mitterlehners Version

Mitterlehner wiederum musste den Zeitpunkt für den Wechsel im ÖVP-Regierungsteam mitten im Präsidentschaftswahlkampf verteidigen. Man versuche, "so gut es geht", das eine vom anderen zu trennen, denn: "Wir glauben, dass die rasche Entscheidung eher dazu beigetragen hat, als wenn ein Thema lange diskutiert wird."

Ebenfalls peinlich: Zwischen Prölls und Mitterlehners Darstellung der Einleitung der Rochade klaffen – ähnlich wie rund um Prölls Absage für eine Kandidatur bei der Präsidentenwahl – mehrere Wochen. Während der Landeshauptmann schon Anfang März alles eingefädelt haben will, will der ÖVP-Chef erst vor einigen Tagen von Mikl-Leitners Abgang erfahren haben.

Doskozil reagiert betont freundlich

Die SPÖ nahm den Wechsel am Sonntag betont freundlich zur Kenntnis. Der Schritt Mikl-Leitners sei zu respektieren, erklärte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) in einem Statement. Persönlich finde er es "schade, dass sie aus der Regierung ausscheidet". Aber: "Ich freue mich auf die Zusammenarbeit", so Doskozil in Richtung seines neuen Spiegelministers Sobotka.

Faymann dankt und hofft

Auch Kanzler Werner Faymann (SPÖ) erklärte am Sonntagabend, er respektiere die Entscheidung des Koalitionspartners. In einer Aussendung bedankte er sich bei Mikl-Leitner für ihre Arbeit in der Regierung. Mit Sobotka hofft er auf eine gute Zusammenarbeit. Mikl-Leitner habe das Innenressort in einer "außergewöhnlich schwierigen Zeit" geführt, sagte Faymann, der ihr "persönlich und beruflich alles Gute" wünschte.

Dikat von Pröll

All das war ein Diktat von Pröll, wird aber hinter vorgehaltener Hand kritisiert. Für Niederösterreich ist das Timing zwar perfekt, für die Bundesregierung und die ÖVP jedoch weniger. Denn mit Sobotka schickt Pröll einen unangenehmen Nebenbuhler nach Wien. Zuletzt hatte es mit ihm vermehrt Auseinandersetzungen gegeben, weil der ehrgeizige Landesrat selbst den Landesthron im Visier hatte und diesen nicht kampflos Mikl-Leitner überlassen wollte. Mit dem Innenministerium ist aber auch Sobotka zufrieden und als Unruhestifter in St. Pölten erst einmal entfernt.

Heimweh statt Machtgelüste

ÖVP-Insider räumen ein, dass Mitterlehner bei dieser Entscheidung nicht allzu viel mitzureden hatte. "Er wurde informiert", sagt dazu ein Funktionär aus Niederösterreich trocken.

Die offizielle Geschichtsschreibung lautet also, dass es Mikl-Leitner selbst nach fünf Jahren als Innenministerin – eine herausfordernde Zeit, wie alle eingestehen – wieder nach Niederösterreich zog. Für Mitterlehner und die Regierung kommt das gar nicht gelegen: Denn nun hat die Regierung die Flüchtlingskrise einigermaßen in den Griff bekommen und fährt jenen strikten Kurs, auf den die ÖVP immer gedrängt hatte und der jetzt auch vom Regierungspartner SPÖ mitgetragen wird.

Vorbei mit der Ruhe

Der Personalwechsel auf SPÖ-Seite, der durch die Kandidatur von Rudolf Hundstorfer bei der Bundespräsidentenwahl ausgelöst wurde, hat Mikl-Leitner mit Doskozil als neuem Verteidigungsminister einen Partner in der Sicherheitspolitik gebracht, mit dem sie gut kann. Das schlug sich zuletzt in einem deutlich ruhigeren und konsensualen Vorgehen in der Flüchtlingskrise nieder.

Ärger auch in ÖVP

Sobotkas Bestellung wird in der SPÖ daher mit Skepsis gesehen, aber auch in der ÖVP gibt es viele, die nicht nur überrascht, sondern auch verärgert sind. Offiziell wollte zwar niemand die Kritik an dieser von Pröll losgetretenen Rochade formulieren, intern wird aber heftig über die Selbstherrlichkeit des niederösterreichischen Landeshauptmanns diskutiert, der seine Interessen ohne Rücksicht vor jene der Bundespartei und der Bundesregierung stellt.

Prölls Interessen stünden über jenen der Gesamtheit der Partei, sagt ein zerknirschter Funktionär. Auch für den Wahlkampf von Hofburg-Anwärter Andreas Khol ist die nun entstandene Unruhe nicht gerade hilfreich.

Faymann kurzfristig informiert

Offenbar wurde über Prölls jüngste Entscheidung auch SPÖ-Chef Werner Faymann recht kurzfristig in Kenntnis gesetzt. Dass die Achse Mikl-Leitner und Doskozil, die man auch in der SPÖ als erfolgreich angesehen hat, so mutwillig demontiert wird, kommentiert man mit Bedauern. Auch wenn Sobotka nicht mit Kritik empfangen werden soll, zeigt man sich in der SPÖ über dessen Bestellung nicht glücklich: Sobotka eilt ein Ruf als Choleriker mit einem ausgeprägten Ego voraus.

Ein Kenner des Trios Pröll, Sobotka und Mikl-Leitner kann dieses Temperament bestätigen: "Wenn dem neuen Minister etwas nicht in den Kram passt, kann er herumschreien und -schmeißen wie der Landeshauptmann."

Angelobung demnächst

Bundespräsident Heinz Fischer wurde bereits informiert, nach einem Termin für die Angelobung Sobotkas wird gesucht. Am Donnerstag soll die Verschärfung des Asylgesetzes durch den Innenausschuss, das könnte noch unter Mikl-Leitners Aufsicht passieren. (Michael Völker, Maria Sterkl, Nina Weißensteiner, 10.4.2016)