Wien – Dutzende unbeantwortete Bewerbungsschreiben, erfolglose Vorstellungsgespräche: Der Weg zu einem Job ist für die meisten Arbeitssuchenden eine Ochsentour. Immerhin jeder zehnte Arbeitslose in der Europäischen Union, der wieder ins Erwerbsleben eintritt, macht es anders – und sich selbstständig.
Das geht aus einem gemeinsamen Bericht der Industriestaatenorganisation OECD und der Europäischen Kommission hervor, in dem Gründungsförderungen für besonders unterstützenswerte Bevölkerungsgruppen in den EU-Ländern verglichen werden.
In Österreich erfüllt diesen Zweck das Unternehmensgründungsprogramm des AMS. Es bietet arbeitslosen Personen, die sich selbstständig machen wollen, Unterstützung bei der Gründung. Das Programm umfasst unter anderem eine Unternehmensberatung, fachliche Weiterbildung und eine finanzielle Absicherung während der Teilnahme am Programm.
Im Vorjahr nahmen 8763 Personen das Angebot in Anspruch. Die Ausgaben für Beratungsleistungen beliefen sich auf 5,5 Millionen Euro. Für 5412 Gründer wurden zusätzlich 12,8 Millionen Euro an Gründungsbeihilfe ausbezahlt.
Unter EU-Schnitt
Laut der Studie stiegen 2013, dem letzten Jahr der vorliegenden Daten, 2,2 Prozent der arbeitslos Gemeldeten als Selbstständige wieder in die Erwerbstätigkeit ein. Im EU-Durchschnitt waren es mit 2,7 Prozent etwas mehr.
Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass über alle Mitgliedsländer hinweg gesehen zu geringe Mittel in Anreizprogramme zur Unternehmensgründung fließen. Zu den besonders förderwürdigen Gruppen gehören demnach neben Arbeitssuchenden auch Frauen, junge Menschen bis 25, ältere Beschäftigte ab 50 Jahren und Migranten.
Bei Zugehörigen all dieser Gruppen bestehe ein erhebliches Interesse an der Selbstständigkeit, sie alle seien aber gesellschaftlicher oder finanzieller Benachteiligung ausgesetzt. Unternehmensgründungen sowie selbstständige Tätigkeiten von besonders förderwürdigen Bevölkerungsgruppen werden deshalb als "inklusives Unternehmertum" bezeichnet.
Geringeres Wachstum
2013 stammten etwa 22,7 Millionen selbstständig Erwerbstätige in den Ländern der EU aus den genannten Bevölkerungsgruppen. Das sind 75 Prozent aller Selbstständigen. Laut OECD beschäftigen sie nahezu genauso häufig mindestens einen Arbeitnehmer wie die Gesamtheit aller Unternehmer (27 Prozent gegenüber 29 Prozent). Trotzdem sind die Erfolgsaussichten unterschiedlich. So zeigt sich etwa, dass in allen EU-Ländern die Wachstumsraten der von Frauen geführten Unternehmen unter denen der von Männern geführten liegen.
Weitere Muster, die sowohl für Österreich als auch für den EU-Durchschnitt gelten: Frauen weisen eine geringere Selbstständigenquote als Männer auf, unter 25-Jährige eine wesentlich niedrigere als über 50-Jährige. In allen Kategorien liegt die Quote hierzulande um mehrere Prozentpunkte unter dem EU-Schnitt.
Über die Struktur der Selbstständigkeit gibt die Studie übrigens keinen Aufschluss. Kritiker bemängeln regelmäßig, dass besonders ökonomisch Schwächere unfreiwillig in die Selbstständigkeit gedrängt werden. Geringe Löhne und fehlende soziale Absicherung sind keine Seltenheit.
Eine Untersuchung der ASB Schuldnerberatung aus dem Vorjahr zeigt ein weiteres Problem auf: Nicht nur die Zahl jener Menschen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben, ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen. Damit einher geht auch ein wachsender Anteil jener, die nach dem Scheitern ihrer unternehmerischen Tätigkeit wieder in die Arbeitslosigkeit zurückfallen – und das meist mit einem schweren Schuldenrucksack. (Simon Moser, 11.4.2016)