Omnipräsenter Unsinn: Astrologie.

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Astrologie ist Unsinn. Das habe ich schon vor langer Zeit in dieser Kolumne erklärt, und an diesem Befund hat sich seit damals nichts geändert. Eine Abart der Astrologie ist aber ganz besonderer Unsinn und verdient daher nochmals einen genaueren Blick: das Zeitungshoroskop.

So gut wie keine Zeitung kommt ohne diese Rubrik aus. Überall wird Tag für Tag und für jedes Sternzeichen der (angebliche) Blick in die Zukunft präsentiert. Wer sich aber auch nur ein wenig Gedanken über die dort vorgestellten "Prognosen" macht, erkennt schnell, dass es sich dabei um nichtssagende Sätze handelt. Aktuell erklärt Gerda Rogers beispielsweise den Waage-Geborenen, sie sollen "Stress vermeiden". Ein guter Rat, gegen den sich nichts einwenden lässt – der aber auch nicht sonderlich viel mit irgendeiner astrologischen Kunst zu tun hat, sondern eine Binsenweisheit darstellt, die für alle Menschen ganz unabhängig von ihrem Geburtszeitpunkt gilt. Genauso wie der Ratschlag für die Steinböcke: "Vernünftig reden, statt zu streiten!"

Allgemein zutreffend

Meine lokale Tageszeitung aus Thüringen empfiehlt mir (Löwe) heute: "Wenn etwas schiefgelaufen ist, müssen Sie auch dazu stehen", während den Schützen erklärt wird: "Für manche Entscheidungen ist die Zeit einfach noch nicht gekommen." Eine Aussage, die per Definition ebenfalls immer korrekt ist, genauso wie der Satz, der den Stieren präsentiert wird: "Sie können heute fast alles erreichen, was Sie wollen."

"Manche Entscheidungen" und "fast alles" sind vage beziehungsweise allumfassende Aussagen, die typisch für die Astrologie und ganz besonders kennzeichnend für die Zeitungshoroskope sind. Sie gehören zu den sogenannten Barnum-Texten, die nach dem Schausteller P. T. Barnum aus dem 19. Jahrhundert benannt sind, der in seinem Zirkus auch "für jeden etwas" dabeihatte.

Berühmtes Phänomen

Andere Beispiele dafür wären Sätze wie "Du neigst dazu, kritisch dir selbst gegenüber zu sein" und "Manchmal hast du Zweifel, ob du die richtige Entscheidung getroffen hast". Mit solchen Aussagen kann sich jeder identifizieren, und oft merken wir dabei gar nicht, dass es sich nicht um spezifische und persönliche Analysen, sondern um Gemeinplätze handelt. Dieses Phänomen wurde schon 1949 von dem Psychologen Bertram Forer in seiner Arbeit "The Fallacy of Personal Validation: A Classroom Demonstration of Gullibility" beschrieben.

Er setzte seinen Studenten genau solche inhaltsleeren Aussagen vor und erklärte ihnen aber, dass es sich dabei um eine individuelle Persönlichkeitsanalyse handeln würde. Und tatsächlich fanden sich 87 Prozent davon gut oder sehr gut charakterisiert. Wir erkennen uns selbst in den Texten wieder, übersehen aber, dass sie auch auf alle anderen zutreffen. Dieser "Forer-Effekt" funktioniert sogar in beide Richtung. Wenn ein Astrologe unbewusst solche vagen Charakterisierungen formuliert, erkennt sich der Kunde darin wieder und wird ein entsprechend positives Feedback geben. Das bestärkt den Astrologen in seiner Auffassung, hier eine echte "Persönlichkeitsanalyse" abgeliefert zu haben und nicht die inhaltsleeren Gemeinplätze, um die es sich eigentlich handelt.

"Seriöse Astrologie"

Dass vor allem die Zeitungshoroskope keinen echten Inhalt haben, ist also spätestens seit Forers Arbeit bekannt. Und die meisten Menschen werden sie daher auch nicht sonderlich ernst nehmen (auch dieser Satz ist übrigens ein Barnum-Satz). Interessanterweise gilt das aber auch für die Astrologen. Spricht man sie auf die "Prognosen" aus der Tageszeitung an, läuft die Kritik ins Leere. Zeitungshoroskope seien keine echte, keine "seriöse" Astrologie. Ein ordentliches Horoskop müsse individuell, mit Kenntnis des genauen Geburtsorts und der genauen Geburtszeit erstellt werden. Die Zeitungsastrologen bestreiten aber natürlich vehement, keine seriöse Astrologie zu betreiben, und nehmen sich selbst genauso ernst wie der Rest ihrer Zunft.

Wenn nun aber klar ist, dass die Zeitungshoroskope nur nichtssagenden Unsinn beinhalten, und sogar die (sich selbst für seriös haltenden) Astrologen dem zustimmen: Warum gibt es diese Rubrik dann immer noch? Astrologie ist Unsinn. Die Horoskope in den Tageszeitungen sind noch größerer und viel leichter erkennbarer Unsinn. Und auch wenn man sie nicht oder "nur aus Spaß" liest, zeigt ihre tägliche Präsenz der Leserschaft: Wir nehmen die Astrologie ernst. Sie ist uns wichtig genug, jeden Tag dafür einen Platz in unserer Zeitung zu reservieren. Wir engagieren sogar Astrologen, um sie zu schreiben (oder investieren zumindest ein wenig der Arbeitszeit unserer Praktikanten).

Die Astrologie existiert seit Jahrtausenden und wird auch in der Zukunft nicht verschwinden. Aber es wäre ein guter Anfang, wenn sie nicht mehr Tag für Tag völlig unkritisch einem Großteil der Zeitungsleser vorgesetzt werden würde. Der Platz in den Medien könnte für andere Themen sicherlich gewinnbringender eingesetzt werden. (Florian Freistetter, 12.4.2016)