Es ist keine gute Zeit, Parteichef zu sein – nicht für Werner Faymann und erst recht nicht für Reinhold Mitterlehner. Kanzler und Vizekanzler haben ihre Parteien mit sicherer Hand an einen Wert um die 20 Prozent herangeführt und mit ihrer Auffassung von Politik maßgeblich zum Höhenflug der FPÖ beigetragen. Die Freiheitlichen liegen in allen Umfragen stabil an erster Stelle.

Und es wird noch schlimmer werden: Wenn die beiden Kandidaten der Koalitionsparteien, Rudolf Hundstorfer für die SPÖ und Andreas Khol für die ÖVP, bei der Hofburg-Wahl in knapp zwei Wochen nicht einmal in die Stichwahl kommen – und davon ist derzeit auszugehen -, wird sich die Stimmung für Kanzler und Vizekanzler weiter eintrüben. Eine Obmanndebatte wird beiden nicht erspart bleiben, und dafür gibt es noch eine Reihe weiterer guter Gründe.

Erwin Pröll gab dieser Tage diesbezüglich Anschauungsunterricht. Genussvoll zelebrierte der niederösterreichische Landeshauptmann sein Hochamt und zeigte, wie wenig der Parteichef und Vizekanzler mitzureden hat, wenn es um einen Wechsel in der Regierungsmannschaft in Wien geht – was ja, auch aus Mitterlehners Sicht, nicht unbedingt eine Nebensächlichkeit ist. Nicht dass man die Rangordnung in der ÖVP nicht schon vorher kannte. Aber die Selbstherrlichkeit, mit der Pröll den Rest der Partei dazu zwang, an dieser Unterwerfung teilzuhaben, war schon brutal.

Man könnte Mitleid mit Mitterlehner haben. Dessen Tage sind gezählt. Die meisten in der Partei – und viele außerhalb – glauben ohnedies, dass Sebastian Kurz der bessere Parteichef wäre. Aber der lässt sich wohlweislich – mit Prölls Unterstützung und Segen – noch Zeit. Das Abschneiden des ÖVP-Kandidaten Khol am 24. April könnte diesen Prozess aber doch noch beschleunigen.

Auch Werner Faymann trägt sein Kreuz, vor allem jenes der eigenen Wankelmütigkeit. Die Wiener Landespartei, aber nicht nur diese, will seinen neuen Kurs im Schlepptau von ÖVP und FPÖ in Sachen Asylpolitik nicht mitmachen. Die Verschärfung des Asylgesetzes, die auf einem herbeigeredeten Notstand fußt, geht vielen Abgeordneten und Funktionären zu weit. Es ist ein Notstand der Argumente, nicht einer, der Sicherheit und Ordnung bedroht, wie suggeriert wird. Die Entsolidarisierung der Gesellschaft, die hier vorangetrieben wird, irritiert doch einige in der SPÖ, die ihre Partei noch ernst nehmen wollen.

Tatsächlich wirft Faymann die Prinzipien einer sozialdemokratischen Weltanschauung über Bord, wenn er sich dem Diktat der Angstmacherpolitik unterwirft. Das ist auch strategisch ungeschickt: Die Wähler danken es nicht ihm und seiner Partei, sondern jenen, die er zu bekämpfen vorgibt. Der Kanzler bereitet damit den Hetzern den Weg. Es ist die alte Geschichte vom Schmied und vom Schmiedl.

Dass Faymann nicht selbst die Diskussion in seiner Partei sucht, sondern Nationalratspräsidentin Doris Bures mit dem Auftrag ausschickt, vor dem Wiener Parteitag die Kritik an seiner Linie zu unterbinden, zeugt von der Rückgratlosigkeit dieser Politik.

Geführt wird diese Koalition nicht, weder von Faymann noch von Mitterlehner. Deutlich trägt die Regierung ihr Ablaufdatum vor sich her. Wahlen sind für 2018 angesetzt. In Neuwahlen kann sich diese Koalition nicht flüchten, das wäre der sichere Untergang ihrer Proponenten. Das werden noch zwei lange, mühsame Jahre. (Michael Völker, 11.4.2016)