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Rom – 49 Millionen Italiener sind am kommenden Sonntag aufgerufen, sich über die Abschaffung eines Gesetzes auszusprechen, das Ölbohrungen auch innerhalb von zwölf Seemeilen von der Küste entfernt erlaubt. Das Referendum, bei dem sich Umweltaktivisten gegen die Ölindustrie stellen, scheidet in Italien die Geister.

Konkret geht es um 26 Förderanlagen, die innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone und damit in Küstennähe stehen. Für neun Anlagen sind die Konzessionen im Auslaufen oder bereits verfallen, die verbleibenden müssten ihren Betrieb spätestens im Jahr 2027 einstellen.

Referendum könnte unbefristete Erlaubnis löschen

Die Energiekonzerne sorgten dafür, dass die Regierung dieses Ablaufdatum entfernte. Die Energiekonzerne können daher Öl und Gas aus dem Meer pumpen, bis die Lagerstätten erschöpft sind. Über das Referendum soll diese unbefristete Betriebserlaubnis gelöscht werden.

Das Referendum ist auf die Initiative von neun Regionen zurückzuführen (Venetien, Marken, Ligurien, Basilikata Apulien, Kampanien, Molise, Kalabrien und Sardinien), die sich mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, Greenpeace und anderen Umweltschutzgruppen sowie Teilen des Partito Democratico (PD), der Partei von Premier Matteo Renzi, gegen die Ölbohrungen in der Adria wehren.

Reserven schlummern in der Adria

107 Ölplattformen zählt man in italienischen Adria-Gewässern, davon 50 vor der Küste der Regionen Venetien und Emilia-Romagna. Laut Schätzungen liegen allein in der Adria noch Reserven von 70 Millionen Barrel Rohöl und 900 Milliarden Kubikmeter Gas.

Die Regierung und einflussreiche Ölfirmen meinen, Italien solle diese Reserven nutzen, um seine Energieabhängigkeit vom Ausland zu reduzieren. Umweltschützer erwidern, dass der Meeresboden wegen der Bohrarbeiten absinken könnte. Sie bemängeln, dass die Regierung Renzi bereits alle Fördergelder für erneuerbare Energien gekürzt habe.

Sie rufen die Italiener zu einer massiven Beteiligung an dem Referendum auf, um den Staat zur Energiewende zu zwingen. Die Ära der fossilen Brennstoffe sei in Zeiten der zu Ende gehenden Ressourcen und des Klimawandels im Auslaufen.

Experten zweifeln an Erfolg des Referendum

Damit die 300 Millionen Euro teure Abstimmung gültig ist, muss ein Quorum von 50 Prozent erreicht werden. Politische Experten bezweifeln, dass dies möglich sein wird. Die Initiatoren des Referendums kritisierten die Regierung von Premier Matteo Renzi, die keinen einzigen Wahltag für die Volksabstimmung und die am 5. Juni geplanten Kommunalwahlen ausgerufen hat. Der Beschluss, das Referendum getrennt von den Kommunalwahlen abzuhalten, sei Teil der Strategie der Regierung, die Volksabstimmung zum Scheitern zu bringen.

Gegen das Referendum sprach sich auch Umweltminister Gian Luca Galletti aus. "Das Problem sind nicht die Ölbohrungen. Man muss in unserem Land weniger Öl konsumieren und unsere Umweltpolitik bewegt sich in diese Richtung", sagte Galletti.

Ähnlicher Ansicht ist auch Premier Matteo Renzi. "Eine Welt, die nur mit umweltfreundlicher Energie funktioniert, ist noch ein Traum." Daher seien Ölbohrungen in der Adria wichtig, um Italien weniger von Importen aus dem Ausland abhängig zu machen.

Rückenwind durch Giftmüllskandal

Der Ölgigant Eni warnt vor den negativen Auswirkungen des Referendums für die Ölindustrie, die 30.000 Italiener beschäftige, eine Milliarde Investitionen anziehe und den Staatskassen eine Milliarde Euro Steuergelder pro Jahr beschere. Einige ausländische Investoren hätten bereits beschlossen, Italien zu verlassen, so Eni.

Rückenwind haben Umweltaktivisten zuletzt von einem Skandal um illegale Giftmüllentsorgung in der Ölindustrie im süditalienischen Basilikata erhalten. 37 Personen werden mit dem Skandal in Verbindung gebracht, darunter Mitarbeiter von Eni und der Lebensgefährte der Industrieministerin Federica Guidi.

Wegen des Vorwurfs der Interessenkonflikte musste Guidi das Handtuch werfen. Der Skandal hat einen dunklen Schatten auf die Regierung Renzi geworfen, die beschuldigt wird, Öllobbys zu fördern. (APA, 12.4.2016)