Wie viel Sicherheit muss der Staat geben? Darüber wird bei der Reform der Mindestsicherung heftig gestritten.

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Wien – Nach der Bundespräsidentenwahl am 24. April wird es ernst. Am Tag darauf treffen sich die Sozialreferenten der Länder mit Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) und wollen die Reform der Mindestsicherung weitgehend unter Dach und Fach bringen. Zumindest soll dann ein erster Entwurf für einen neuen Bund-Länder-Vertrag vorliegen.

Wie berichtet, war zuletzt das Land Oberösterreich vorgeprescht. Die dortige schwarz-blaue Landesregierung hat bereits einen Entwurf vorgelegt, laut dem die Mindestsicherung für Flüchtlinge von 914 auf 520 Euro gekürzt werden soll. An diesem Modell will sich die ÖVP trotz verfassungsrechtlicher Bedenken österreichweit orientieren.

Obergrenze

Zudem plädieren die Schwarzen bei Mehrkindfamilien für eine generelle Obergrenze von 1.500 Euro. Diese Position wurde zuletzt aber etwas aufgeweicht. Inklusive Sachleistungen (vor allem Wohnkosten) seien auch mehr als 1.500 Euro möglich, sagte ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka.

Argumentiert wird von den Kürzungsbefürwortern stets mit den steigenden Kosten. Im Detail lagen die Zahlen für 2015 allerdings noch gar nicht vor. Der STANDARD hat daher einen Rundruf unter den Ländern gestartet, wie sich die Ausgaben tatsächlich entwickelt haben.

Plus 15,7 Prozent

Das Ergebnis: Der Trend der Vorjahre hat sich fortgesetzt. Insgesamt wurden knapp 870 Millionen Euro für die Mindestsicherung aufgewendet (siehe Grafik). Im Vergleich zu 2014 bedeutet das ein Plus von 15,7 Prozent. Am größten war die Steigerung in Oberösterreich (23 Prozent) und Vorarlberg (22 Prozent).

Die mit Abstand meisten Bezieher gibt es traditionell in Wien. Für die Bundeshauptstadt liegt aber derzeit nur eine vorläufige Schätzung vor. Inklusive zweier Nachtragshaushalte wurden im Vorjahr in Wien 544 Millionen Euro veranschlagt.

Die Länderdaten sind jedenfalls deutlich höher als jene Werte, die bis inklusive 2014 von der Statistik Austria veröffentlicht wurden (siehe unten). Der Grund: Bestimmte Leistungen wie Hilfen in besonderen Lebenslagen werden von der Statistik Austria nicht berücksichtigt, erhöhen aber faktisch die Mindestsicherungsbudgets.

Viele offene Asylverfahren

Heuer wird allgemein mit einem weiteren Anstieg gerechnet. Rund 64.000 der 90.000 im Vorjahr eröffneten Asylverfahren wurden nämlich noch nicht entschieden. Wie viele Flüchtlinge derzeit Mindestsicherung beziehen, ist nur eingeschränkt zu beantworten. Wien hat diesbezüglich noch keine Daten veröffentlicht. In den anderen Ländern liegt der Anteil bei etwa 14 Prozent, wie der "Falter" zuletzt berichtete, wobei es aber starke regionale Unterschiede gibt (25 Prozent in Vorarlberg).

Die schlechte Datenlage ist auch einer jener Punkte, die mit dem neuen Bund-Länder-Vertrag reformiert werden sollen. Mehr oder weniger einig sind sich auch alle, dass verstärkt auf Sach- statt auf Geldleistungen gesetzt werden soll. Konkret könnten etwa Wohn- oder Energiekosten direkt von den Behörden bezahlt werden. Details sind hier aber noch offen. Die ÖVP möchte, dass mindestens 50 Prozent der Hilfe auf Sachleistungen entfällt.

Strenger sanktionieren

Ebenfalls Konsens zeichnet sich bei der Sanktionierung von Arbeits- oder Integrationsverweigerung ab. Hier wurde vom Arbeitsmarktservice bereits beklagt, bestehende Kürzungsmöglichkeiten würden von den Behörden nicht immer ausgeschöpft.

Eine Übertragung der Zuständigkeit für die Mindestsicherung von den Ländern auf den Bund dürfte – zumindest in einem ersten Schritt – nicht kommen. Das würde umfassender Vorarbeiten bedürfen. Ein Start per Anfang 2017 wäre laut Experten nicht machbar. Einige Bundesländer wollen diese Frage aber weiter prüfen. (Günther Oswald, 13.4.2016)