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Nicht sehr positiv für die Dynamik der Weltwirtschaft gestimmt ist der Internationale Währungsfonds.

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Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft zum zweiten Mal binnen weniger Wochen nach unten korrigiert. Noch mehr als diese Korrektur sorgte eine scharfe Warnung von IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld bei der Präsentation des World Economic Outlook am Dienstag in Washington für gedämpfte Stimmung. Obstfeld sagte, dass der zunehmende Nationalismus in Europa und der aufkeimende Protektionismus in den USA – Stichwort Viktor Orbán und Donald Trump – eine immer größere Gefahr für die globale Konjunktur darstellen.

Aber der Reihe nach. Die Weltwirtschaft ist laut IWF Ende 2015 langsamer gewachsen als angenommen. Verantwortlich dafür waren mehrere Faktoren. US-Amerikaner und Japaner haben weniger Autos, Fernseher und Computer gekauft als erwartet, die Inlandsnachfrage entwickelte sich in beiden Ländern gedämpft. Zudem sind die US-Exporte zurückgegangen. Hinzu kommt, dass die Rezession in Brasilien stärker war als angenommen. Eine größere Korrektur nach unten blieb der Eurozone diesmal zwar erspart – positive Überraschungen, etwa durch den gefallenen Ölpreis, blieben aber auch hier weitgehend aus.

Der IWF erwartet auf dieser Basis, dass die Weltwirtschaftsleistung, heuer, ähnlich wie im vergangenen Jahr, um 3,2 Prozent zulegen wird. Noch im Jänner war man von plus 3,4 Prozent ausgegangen, im Oktober sogar von plus 3,6 Prozent. Während die US-Wirtschaft trotz der schlechteren Prognose einigermaßen brummt, lässt sich die Entwicklung in der Eurozone mit "Es dümpelt dahin" beschreiben. Heuer soll die Wirtschaft im gemeinsamen Währungsraum um 1,5 Prozent zulegen.

Österreich spürt schlechteres Umfeld

Das international schlechtere Umfeld bekommt auch Österreich zu spüren. Das Wachstum soll hier 2016 nur bei 1,2 Prozent liegen. Damit wäre das Wachstum in Österreich zum dritten Mal in Folge unter dem Durchschnitt des Euroraums. Noch im Oktober war man von plus 1,6 Prozent für die heimische Wirtschaft ausgegangen, und selbst das wäre nicht genug gewesen, um eine Trendwende auf dem österreichischen Arbeitsmarkt einzuleiten. Der IWF schätzt die Entwicklung in Österreich damit deutlich pessimistischer ein als es die heimischen Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS tun.

Sorgen bereitet den Experten des Währungsfonds, dass sich selbst ihre Grundannahme, wonach die Weltwirtschaft moderat weiterwachsen wird, als zu optimistisch herausstellt. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten Europas und Chinas in den vergangenen Monaten könnten Vorboten einer neuen Rezession gewesen sein, sagte Ökonom Obstfeld. Er empfahl den Regierungen auf der ganzen Welt daher, einen Plan B zu erarbeiten, der aktiviert werden soll, wenn eine neuerliche Krise ausbricht.

Ungewohnt offen angesprochen wurden in Washington auch politische Entwicklungen. Als eines der größten Risiken bezeichnete Obstfeld den aufkommenden Nationalismus in einigen EU-Ländern. Terror und Flüchtlingskrise seien eine immense Herausforderung. Doch viele Länder reagierten falsch, indem sie versuchen, ihre Grenzen dichtzumachen und sich abzuschotten.

Streit um Arbeitsmarkt

Die populistischen Strömungen in Europa gefährden die EU, weil sie zu einer internen Spaltung führen, präzisierte Obstfelds Stellvertreter, Gian Maria Milesi-Ferretti, im STANDARD-Gespräch. Das werde die Reaktionsfähigkeit der Union weiter verlangsamen, sollte eine neue Krise im Anmarsch sein. Als gefährlich stuft Milesi-Ferretti nicht nur die Rufe nach mehr Grenzkontrollen ein. Auch die Kritik an der Arbeitnehmerfreizügigkeit in einigen EU-Ländern sei fatal. In Österreich hatte Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm wegen der hohen Zahl an osteuropäischen Arbeitnehmern dafür plädiert, den Arbeitsmarkt abzuriegeln. "Das Problem an den Vorschlägen ist, dass sie einzeln die EU nicht gefährden mögen. Alle zusammengenommen werden aber zum großen Problem."

Kritik gab es in Washington auch am Tonfall im US-Wahlkampf, wo besonders der Republikaner Donald Trump den Freihandel heftig kritisiert. Solche Rhetorik stelle die wirtschaftliche Integration ganzer Regionen infrage. (András Szigetvari aus Washington, 12.4.2016)