Aufgehen in der Gruppe, angeleitet von einer Führungsperson. Als Propagandafotografin nahm Anna Koppitz Anleihen am Werk ihres Mannes Rudolf und an der Filmästhetik Leni Riefenstahls.

Foto: Nachlass Anna Koppitz

Wien – "Ich habe Ihrem Minister gerne die Zusage gemacht, in der Blutsfrage mitzuarbeiten (...). Ob es sich nun um Porträt- oder Aktaufnahmen handelt, ist mir gleich; schwierig ist nur, die passenden Menschen dazu zu finden." Anna Koppitz' Brief von 1940 an den NS-Reichsminister für Landwirtschaft und Ernährung, Richard Walther Darré, dokumentiert das Zustandekommen einer noch unaufgearbeiteten Episode österreichischer Fotografiegeschichte. Das Photoinstitut Bonartes (Seilerstätte 22) legt diese nun mit einer akribischen Ausstellung und Begleitpublikation offen.

Anna Koppitz war bislang nur als Ehefrau des bekannten Fotografen Rudolf Koppitz ein Begriff. Der an Jugendstil und Konstruktivismus geschulte Bildarrangeur ging in der Zwischenkriegszeit vom geometrisch konstruierten Akt zur fotografischen Überhöhung des bäuerlichen Lebens über. Zuletzt arbeitete Koppitz der Propaganda des austrofaschistischen Ständestaats zu. 1936, noch vor dem "Anschluss" an Hitler-Deutschland, verstarb er.

Seine Witwe Anna verwaltete den Nachlass, verkaufte Bilder an die NS-Propaganda, fotografierte selbst und signierte mit dem Namen ihres verstorbenen Mannes. Reichsminister Darré, zunächst an Rudolf Koppitz interessiert, entdeckte die Witwe für sich. Er beauftragte sie, die Schüler der Reichsschule für Leibesübungen Burg Neuhaus (heute Wolfsburg) abzulichten und für Propaganda dienlich zu machen.

Darré, der sich schon vor der Nazizeit mit Schriften wie Das Bauerntum als Lebensquell der nordischen Rasse (1929) oder Neuadel aus Blut und Boden (1930) als fanatischer Rassentheoretiker hervorgetan hatte, sah in der Reichsschule ein Zuchtprogramm, das "gesunde nordische" Siedler für die im Vernichtungsfeldzug eroberten Gebiete hervorbringen sollte.

Abruptes Ende

In einer Mischung aus Naivität und ersehnter künstlerischer Selbstbehauptung stellte sich Anna Koppitz – für die allerdings kein Nachweis einer NSDAP-Mitgliedschaft gefunden werden konnte – in den Dienst der Rassenfrage. 1942 endete das Engagement für Darré abrupt. Im Eifer hatte der Minister allzu oft an der NS-Spitze vorbeiregiert. Er fiel in Ungnade, Hitler setzte ihn schließlich ab. Begründung: "angegriffener Gesundheitszustand".

Die von Magdalena Vukovic kuratierte Ausstellung mit dem Titel Im Dienst der Rassenfrage zeigt die Körperstudien turnender und tanzender Schüler, die Anna Koppitz für Darrés Zwecke anfertigte, nicht im Original, sondern auf Platten gedruckt, wodurch sich die erforderliche Distanz zu den Motiven einstellen soll.

Stilistisch orientierte sich Koppitz nicht nur an Arbeiten ihres Mannes, auch Anleihen am Sportfotografen Hanns Spudich, vor allem aber an der Filmästhetik Leni Riefenstahls sind erkennbar. Die Absage an den Individualismus, die bloße Existenz in der Gruppe, angeleitet durch eine(n) Führer(in), wird zur motivischen Grundlage der Fotografien.

Vukovic hat die Recherchen in dem kleinen Schauraum bestmöglich zugänglich gemacht. Sorgfältig wird zwischen Bild- und Textdokumenten ausgewogen, so erhält man Einblick in die Gedankenwelt völkisch-rassistischer Milieus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts; und erfährt, wie nahtlos die Übergänge zwischen "harmloser" Bauernromantik und Zuchtprogramm zum Teil waren. (Stefan Weiss, 13.4.2016)