Dilma Rousseffs Kontrollbedürfnis, so wird es ihr nachgesagt, sei derart ausgeprägt, dass die brasilianische Präsidentin vor jedem Flug höchstpersönlich die Wetterprognose auf der vorgesehenen Route durchgehe, um Turbulenzen zu vermeiden. Umso schwerer lässt sich erahnen, was ihr durch den Kopf ging, als ihr am Montag sehenden Auges die Kontrolle entglitt: Da nahm das Amtsenthebungsverfahren gegen sie im Kongress die nächste Hürde, und zwar mit einem derartigen Geschrei, dass zeitweise kein Wort zu vernehmen war.

Die Unzufriedenheit der Brasilianer mit ihrer Präsidentin ist mehr als nachvollziehbar: Die Korruption, die Rousseff eigentlich bekämpfen wollte, reicht bis in die feinsten Kapillaren des Staates und scheint vor niemandem haltzumachen. Insgesamt hat das Unvermögen der Regierung die größte Volkswirtschaft Südamerikas und den einstigen Star der Schwellenländer um Jahre zurückgeworfen. Dass niemand weiß, auf welche Turbulenzen Brasilien zusteuert, macht nämlich längst nicht nur Rousseff nervös.

Doch Rousseff aus dem Amt zu jagen macht noch kein Konzept. Und dass ausgerechnet der bisherige Koalitionspartner die Messer wetzt, beruhigt auch kein bisschen. Die PMDB ist ein Synonym für die Dekadenz des Politsystems Brasiliens, auch ihre Mitglieder sind in Skandale verwickelt. Nur Neuwahlen schaffen die Möglichkeit für einen echten Wandel – ein Impeachment allein kann das nicht. (Anna Giulia Fink, 12.4.2016)