Bild nicht mehr verfügbar.

Unter den Augen Atatürks: Präsident Tayyip Erdogan empfängt den saudischen König Salman bin Abdulaziz am Flughafen Ankara.

Foto: REUTERS/Murat Cetinmuhurdar

Ankara/Wien – Der saudische König Salman und der türkische Präsident Erdogan unter einem Bild von Mustafa Kemal Atatürk – das hat schon etwas: Als der "Vater der Türken" 1923 die Republik ausrief, hatten die Briten gerade Sharif Hussein bin Ali – Ururgroßvater des heutigen Königs von Jordanien – in Mekka fallenlassen und dem Vater Salmans, dem Gründer Saudi-Arabiens Ibn Saud, damit den Weg zur Eroberung der früheren osmanischen Provinz Hijaz geebnet. Mit beiden unter ihm sitzenden Islamisten – dem Salafisten Salman und dem Muslimbruder und "Rückbauer" der säkularistischen Türkei Erdogan – hätte der Raki-Liebhaber Atatürk nicht viel anfangen können.

König Salman traf am Montagabend aus Kairo kommend ein, er absolviert mit seiner riesigen Delegation nicht nur einen bilateralen Besuch in Ankara, sondern nimmt auch am Treffen der Organisation der Islamischen Kooperation (OIC) in Istanbul teil, bei dem die Türkei die Präsidentschaft der – von einem saudi-arabischen Generalsekretär geführten – Organisation von Ägypten übernimmt.

Intervention des Königs

Nicht dabei sein wird allerdings Ägyptens Staatschef Abdelfattah al-Sisi. Und dass Ägypten seinen Außenminister Sameh Shoukry schickt, soll laut Medienberichten nur der Intervention König Salmans in Kairo zu verdanken sein.

Die Türkei, Ägypten, Saudi-Arabien: Das wäre schon kompliziert genug, wenn nicht auch noch die Beziehung zu Israel hineinspielen würde. Aber der Reihe nach: Das Verhältnis zwischen Kairo und Ankara ist zerrüttet, seit Sisi im Sommer 2013 den Muslimbruderpräsidenten Mohammed Morsi stürzte und Erdogan daraufhin Sisi als Putschisten und Schlimmeres bezeichnete.

Zurückhaltende Partner

Saudi-Arabien, das sich als Führer der arabischen und der islamischen Welt etablieren will, hat Interesse an einer türkisch-ägyptischen Wiederannäherung, zum Zwecke der Schließung der Fronten gegen den Iran: wobei Ankara, trotz aller Differenzen mit Teheran in Syrien, aus eigenen Interessen nicht so recht gegen den Iran mitzieht und Ägypten die saudische Syrien-Linie und den saudischen Krieg in Jemen auch nur halbherzig unterstützt.

Die Türkei hat jedoch auch ein schlechtes Verhältnis zu Israel: Dessen Reparatur steht nun ganz offiziell auf dem Programm beider Staaten. Aber dafür müsste Israel den Türken Konzessionen machen, und zwar in Gaza – die israelische Erstürmung des Gaza-Hilfsschiffs Mavi Marmara im Jahr 2010, bei der neun Türken getötet wurden, war ja auch der Anlass für den Bruch. Die Israelis wären wahrscheinlich bereit, Erdogan entgegenzukommen – würden jedoch damit die Ägypter vergrämen, die nicht wollen, dass sich die Türkei in Gaza festsetzt und die Hamas davon profitiert.

Das heißt für Israel, dass es sich zwischen besseren Beziehungen zur Türkei und sehr guten Beziehungen zu Ägypten entscheiden muss: Premier Benjamin Netanjahu gab sein Urteil ab, als er vor wenigen Tagen den "Frieden mit Ägypten als fester denn je" lobte. Also muss das türkisch-ägyptische Verhältnis repariert werden, bevor das türkisch-israelische repariert werden kann.

Saudi-Arabien, das den Muslimbrüdern nicht traut, hat 2013 den Sturz Morsis begeistert unterstützt. König Salman, der im Jänner 2015 nach dem Tod König Abdullahs den Thron bestiegen hat, hat jedoch die Prioritäten geändert: alle sunnitischen Kräfte gegen den Iran. Sisi kann also nicht erwarten, dass Salman in Ankara versucht, Erdogan dazu zu bringen, den ersten Schritt zu tun (was bei einem Erdogan ohnehin sinnlos wäre), sondern wird vielmehr von Saudi-Arabien gedrängt, anzuerkennen, dass auch die Muslimbrüder in die antiiranische Front einzubeziehen sind. Umso mehr als es eine ideologische – republikanische – Verwandtschaft zwischen Muslimbrüdern und dem Iran gibt.

Palästinenser am Programm

Zur antiiranischen Front gehört natürlich auch Israel. Um die gemeinsamen Interessen der Araber mit Israel nicht gar so sichtbar zu machen, kommt durch die Hintertür die deklarierte Absicht, etwas für die Palästinenser zu tun, wieder herein: Sie steht auch auf der Agenda des OIC-Gipfels ganz oben. Und Saudi-Arabien hat natürlich kein Interesse daran, dass die Türkei das Thema völlig für sich kapert und sich zum alleinigen Protektor Gazas aufschwingt.

Durch die Bestätigung der saudischen Rechte auf die Insel Tiran im Roten Meer rücken Saudi-Arabien und Israel einander näher – Saudi-Arabien wird dadurch quasi zum Teilhaber an den Camp-David-Verträgen. Praktische Schwierigkeiten sind nicht zu erwarten: Riad hat Interesse daran, von den guten Beziehungen Sisis zu Israel zu profitieren. Es geht immer nur um den Iran. (Gudrun Harrer, 12.4.2016)