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Eine Straßenbenennung in Gerasdorf stieß ebenso auf blauen Widerstand wie das Anbringen von Gedenksteinen in Wien-Wieden. Im Bild: "Stolpersteine" zum Gedenken an vertriebene Juden und Jüdinnen in Hamburg. Ähnliche Gedenksteine zur Erinnerung an deportierte frühere Bewohner gibt es in vielen deutschsprachigen Städten.

Foto: EPA/CHRISTIAN CHARISIUS

Der Artikel im Gerasdorfer "FPÖ-Kurier".

Screenshot: Gerasdorfer FPÖ-Kurier

Wien – Während der FPÖ-Chef in Israel die Holocaust-Gedenkstätte besucht, gibt es in Österreich blauen Widerstand gegen Erinnerungsinitiativen. Etwa in Gerasdorf bei Wien. Dort will die Gemeinde durch das Anbringen eines Gedenksteins und durch eine Straßenbenennung an die ungarische Jüdin Rózsi Braun erinnern.

Braun wurde in einem Lager in Gerasdorf zur Zwangsarbeit genötigt. "Nur mit viel Geschick", so Stephan Roth vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), konnte die 1944 nach Bergen-Belsen deportierte Frau sich und ihren Sohn am Leben erhalten. Am 17. Juni soll der Gedenkstein in Anwesenheit des heute in Budapest lebenden 79-jährigen Sohns enthüllt werden.

Blaue Verweigerung

Alle Fraktionen stimmten für die Straßenbenennung, nur die FPÖ nicht. Vizebürgermeister Lukas Mandl (ÖVP), der das Gedenken initiiert hat, bedauert das im STANDARD-Gespräch. Ihm sei es ein Anliegen gewesen, das Gedenkprojekt, dem auch eine längere wissenschaftliche Aufarbeitung in Zusammenarbeit mit dem DÖW, der Akademie der Wissenschaften und dem Vienna Wiesenthal Institute for Holocaust Studies vorausging, "transparent zu gestalten", so habe die Stadtregierung schon zu Beginn der Periode öffentlich darüber informiert. Doch die Blauen hätten das verweigert. FPÖ-Stadtrat Dietmar Ruf ist das Projekt wegen der Beteiligung des DÖW, das er als "linkslinks" bezeichnet, zu ideologisch. Eine Begründung, die Mandl "bemerkenswert" findet: "Das sagt mehr über die FPÖ aus als über die Sache selbst. Der Opfer zu gedenken ist nicht ideologisch, sondern eine Frage des Anstands."

Ruf hingegen behauptet, Mandl wolle aus der Sache "populistisch politisches Kleingeld schlagen" – und nutzt die Causa gleich selbst für Eigenwerbung. In einem Artikel mit dem Titel "Lukas Mandl und die Suche nach einem Lager" in der Gerasdorfer FPÖ-Parteizeitung stellt er nicht nur die Existenz des Zwangsarbeiterlagers infrage, sondern offenbart auch sein relativistisches Geschichtsverständnis (siehe Bild).

"Die gesamte unfreie Zeit anschauen"

Im STANDARD-Gespräch betont Ruf, er sei für historische Aufarbeitung, aber man müsse "sich die gesamte unfreie Zeit anschauen, von 1933 bis 1955". Da die Straßenbenennung diese Bedingung nicht erfülle und überdies "mehrere Zeitzeugen, mit denen ich gesprochen habe, von dem Lager gar nichts wissen", habe man dem Antrag nicht zugestimmt. Eine "objektive" Aufarbeitung würde er befürworten, so der Stadtrat. Danach, so Ruf, solle man aber "irgendwann einen Schlussstrich ziehen und Geschichte Geschichte sein lassen und sich um die eigentliche Politik kümmern".

Auch im vierten Bezirk in Wien legen sich die Blauen gegen das Verlegen von "Steinen der Erinnerung" quer. Die Wiedner FPÖ habe dem Antrag, Gedenksteine im Boden anzubringen, nicht zugestimmt, bestätigt Bezirksklubobmann Georg Schuster dem STANDARD. Begründung: Man lehne Mahnmale ab, "wo der Hund drüberrennt und wo man draufsteigt". Besser seien Tafeln an Hauswänden – auch auf die Gefahr hin, dass das am Widerspruch der Hausbesitzer scheitere. Denn beim Gedenken sei es "so wie bei Begegnungszonen: Darüber soll die Bevölkerung abstimmen." (Maria Sterkl, 13.4.2016)