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Proteste am Dienstag gegen die Blankoamnestie des Präsidenten vor seinem Amtssitz in Skopje.

Foto: Reuters/Teofilvovski

Skopje/Sarajevo – Sie nennen den Staatschef einen "Gummibaum". Demonstranten bewarfen am Dienstag das Gebäude des Präsidenten mit Eiern, nachdem Gjorge Ivanov eine Amnestie für alle Politiker erlassen hatte, gegen die strafrechtlich ermittelt wird. Auch am Mittwochabend kam es zu weiteren Protesten.

Der US-Botschafter in Mazedonien, Jess Bailey, sagte, das Vorgehen des Präsidenten "schützt korrupte Politiker". Man solle doch die Sonderstaatsanwaltschaft ihre Arbeit machen lassen.

Gespannte Lage

Die politische Lage in dem kleinen Balkanstaat ist nach dem Freibrief zum Zerreißen gespannt. Der Präsident, der die herrschende Clique rund um den Chef der konservativen VMRO-DPMNE, Nikola Gruevski, unterstützt, attackierte mit seiner Entscheidung direkt die Sonderstaatsanwaltschaft, die im vergangenen Jahr auf Druck der EU eingesetzt worden war.

Sie soll die zahlreichen Vergehen des Regimes untersuchen, etwa das illegale Abhören von 20.000 Bürgern, Amtsmissbrauch in Justiz und Polizei sowie Wahlbetrug. Ivanov argumentierte, dass die Justiz unter enormen Druck der internationalen Gemeinschaft geraten sei. Er wolle seine Rechte nützen, um die politische Krise zu beenden, die "von außen aufgedrückt" worden sei. "Vertreter der internationalen Gemeinschaft gehen in Gerichte, während Richter entscheiden, ob jemand verhaftet werden soll oder nicht", so Ivanov.

"Direkter Komplize"

Der sozialdemokratische Oppositionschef Zoran Zaev sprach von einem Putsch. "Ivanov ist ein direkter Komplize der kriminellen Vereinigung gegen Mazedonien geworden." Der frühere Verfassungsgerichtspräsident Trendafil Ivanovski meinte, der "sogenannte Präsident" habe die Bemühungen zerstört, die Dinge wieder zu normalisieren.

Wird die Arbeit der Sonderstaatsanwaltschaft unterlaufen, ist tatsächlich der gesamte Demokratisierungsprozess gefährdet. Die Sonderstaatsanwaltschaft ermittelt etwa gegen frühere Minister wie Expolizeiministerin Gordana Jankulovska.

Druck von USA und EU

Die USA und die EU gaben Ivanov zu verstehen, dass sein Vorgehen den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und dem Przino-Abkommen widerspreche, das im Vorjahr ausgehandelt worden war. Die Liberale Partei möchte wegen der Blankoamnestie ein Verfahren gegen Ivanov wegen Verletzung seiner verfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten nach Paragraf 87 einleiten. Das ist aber nur mit einer Zweidrittelmehrheit möglich – also unrealistisch.

EU-Kommissar Johannes Hahn meinte nach Ivanovs Aussage, dass er nun bezweifle, ob glaubwürdige Wahlen noch möglich seien. Die Parlamentswahl, die für 5. Juni geplant ist, soll mithilfe der OSZE und der EU endlich wieder unter halbwegs fairen und freien Bedingungen erfolgen. Doch die sozialdemokratische Opposition – die auf schlechte Umfragen blickt – will die Wahl möglicherweise ganz boykottieren, weil sie sagt, dass die Wahllisten bis dahin nicht aktualisiert werden könnten. In den Listen befinden sich tatsächlich etwa 100.000 Karteileichen. (Adelheid Wölfl, 13.4.2016)