Die Zahl der armutsgefährdeten Personen ist seit 2008 rückläufig. Ein positiver Trend, findet Sozialminister Alois Stöger (SPÖ). So hat er die Ergebnisse der Armutsstatistik (EU-Silc) präsentiert. Daran, dass acht Prozent der Erwerbstätigen kein Auslangen mit ihrem Einkommen finden, hat sich aber nichts geändert.
Anteil der Working Poor sinkt nicht
Der Anteil der Working Poor liegt in Österreich seit 2008 zwischen 7,2 und 8,5 Prozent. Die jüngsten Zahlen für 2015 ordnen acht Prozent der Erwerbstätigen den Working Poor zu. Das sind insgesamt 297.000 Menschen. Sie haben pro Jahr mindestens sechs Monate einen Job und leben in einem Haushalt, der unter die Armutsgrenze fällt. Für eine alleinlebende Person liegt diese Schwelle bei 1.163 Euro pro Monat, für eine Familie mit zwei Kindern bei 2.442 Euro. Besonders betroffen sind Alleinerziehende und Haushalte mit vielen Kindern.
Nach Branchen betrachtet kann fast jeder siebente Hilfsarbeiter nicht von seinem Job leben. Menschen, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben, sind fast doppelt so häufig von dem Phänomen betroffen (15 Prozent) wie Menschen mit einem Lehrabschluss (acht Prozent).
EU-Vergleich: Österreich im Mittelfeld
Aber: Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten liegt Österreich im Mittelfeld. An der Spitze liegen Rumänien und andere postsozialistische Wohlfahrtsregime wie etwa Polen. Die Ausnahme davon ist Tschechien, das den niedrigsten Anteil im EU-Vergleich aufweist. Auch in südeuropäischen EU-Ländern wie Griechenland und Spanien gibt es einen hohen Anteil von Erwerbstätigen, die nicht von ihrer Arbeit leben können.

In Ländern mit sozialdemokratischem beziehungsweise konservativem Wohlfahrtsregime ist der Working-Poor-Anteil tendenziell niedriger. Gründe dafür können eine aktive Arbeitsmarktpolitik, eine starke Tarifbindung der Löhne und staatliche Sicherungssysteme sein.
Überzubewerten sind geringfügige prozentuelle Änderungen der Working-Poor-Quote nicht. Immerhin gibt es trotz der 10.000 Befragten eine Schwankungsbreite von etwa ein bis eineinhalb Prozent nach oben und unten. Außerdem kann die Zahl der Working Poor auch sinken, wenn Personen ihren schlechtbezahlten Job verlieren und in die Arbeitslosigkeit abrutschen.
Was wären Lösungsansätze?
In Österreich gibt es keinen gesetzlich verankerten Mindestlohn. Diese Funktion übernehmen quasi die Kollektivverträge. Somit verfügen fast alle Branchen über De-facto-Mindestlöhne. Die Sozialpartner haben sich darauf verständigt, den festgelegten Tarif nicht zu unterschreiten. Mit diesem Einverständnis ist Österreich in der EU die Ausnahme.
Mindestlohn in 22 EU-Staaten
In 22 der 28 EU-Länder wird ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn vorgeschrieben. In Österreich war im November ein Mittelweg Thema: In den Kollektiverträgen sollte ein Mindestlohn von 1.700 Euro verankert werden. Das ist für viele Branchen noch in weiter Ferne. (Gerald Gartner, 15.4.2016)