Wien – Tief in Kellern, Bunkern und Burgen haben österreichische Geophysiker landesweit in engem Raster seismischer Stationen aufgestellt. Damit wollen sie herausfinden, wie es im hiesigen Untergrund aussieht, wie sich die Alpen gebildet haben, und wo Erdbeben bevorstehen. Die Forscher präsentieren ihr Projekt kommende Woche bei der Generalversammlung der "European Geosciences Union" (EGU) in Wien.

"Die Alpen sind ein komplexes geologisches Gebilde, auf kleinem Raum passiert hier tektonisch sehr viel", sagte Florian Fuchs vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien. Im Zuge des in Österreich vom Wissenschaftsfond FWF geförderten Projekts "AlpArray", an dem Forscher des gesamten Alpenraums beteiligt sind, wolle man die tektonische Geschichte der Alpen und die Struktur von Gesteinsschichten und Platten unter den Alpen besser erforschen.

Das habe auch unmittelbare Anwendungen: "Wenn wir wissen, wo die Plattengrenzen verlaufen, dann wissen wir auch, wo Erdbeben entstehen", so der Forscher. Obwohl der Boden hier meist nur recht schwach vibriert, ist der Alpenraum eine Erdbebenregion. "Die Afrikanische Platte stößt von Süden gegen die Europäische Platte, was dazu geführt hat, dass die Alpen überhaupt entstanden sind", so Fuchs. Deshalb gäbe es im Alpenraum schon über 300 permanente Messstationen, die tagein tagaus seismische Daten sammeln.

Dichtes Messnetz

Dieses Netz wurde nun mit temporären Stationen verfeinert und ausgebaut, sodass im gesamten Alpenraum jeweils zwei benachbarte Stationen nicht weiter als 40 bis 60 Kilometer auseinander liegen, in Österreich konnte sogar eine Dichte von 30 bis 40 Kilometer realisiert werden. Zusätzlich gibt es Ozeanbodenseismometer im Ligurischen Meer. In Österreich werden neben 30 temporären auch 16 permanente Erdbebenmessstationen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) – die ebenfalls am Projekt mitwirkt – genutzt.

Erdbebenwellen, egal ob sie vom anderen Ende der Welt oder aus der Region stammen, durchlaufen den Untergrund und werden schließlich von den Messgeräten registriert. "Mit tomografischen Methoden, ähnlich wie in der Medizin, kann man so auf die Struktur des Untergrunds schließen", sagte Fuchs. Dabei müsse man nicht einmal viele Erdbeben abwarten.

Generalversammlung in Wien

"Das Herz einer solchen Station ist ein hochempfindlicher, elektromechanischer Sensor, in welchem eine Masse frei schwingen kann", sagte der Geologe. Steht das Gerät auf festem Untergrund, könne es Schwingungen im Mikro- bis Nanometerbereich messen. Idealerweise ist es fernab von menschlichen Aktivitäten platziert, denn die Schwingungen von Fußgängern und vorbeifahrenden Autos würde der feinfühlige Sensor ebenso messen. "Diese kann man aber nachträglich erkennen und herausrechnen", so Fuchs.

Mit den Sensoren habe man etwa den Nukleartest am 6. Jänner in Nordkorea registriert, und auch wenn natürliche Erdbeben auftreten, könne man durch das dichte Messnetz viel besser als zuvor bestimmen, wo sein Epizentrum war, erklärte der Geophysiker.

Die Generalversammlung der "European Geosciences Union (EGU)" ist das größte Treffen von Erdwissenschaftern in Europa, das seit 2005 in Wien stattfindet. Heuer erwarten die Veranstalter vom 17. bis 22. April im Austria Center über 13.000 Geologen, Geophysiker, Meeres- und Klimaforscher sowie Weltraumexperten aus aller Welt. (APA, red, 14.4.2016)