Allein zu "Im Zentrum" kommt er lieber, als sich den Fragen in der "ZiB 2" zu stellen: Kanzler Werner Faymann.

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Wien – "So etwas schafft der ORF nie", habe es geheißen, als die deutsche Kanzlerin Angela Merkel Sologast in der Talksendung von Anne Will war, um über Flüchtlinge zu sprechen, sagt ORF-Redakteurssprecher Dieter Bornemann: "Kaum machen wir das, wird es zum Skandal." Bornemann verteidigte am Donnerstag bei den Österreichischen Journalismustagen den umstrittenen Auftritt Werner Faymanns bei Ingrid Thurnher. Den Kanzler zu "Im Zentrum" einzuladen sei alleinige Entscheidung der Redaktion gewesen, betont er: "Wir suchen unsere Gäste selbst aus."

Das gelte auch für Bundespräsidentschaftskandidat Richard Lugner, der als einziger nicht an den Zweierduellen im ORF teilnehmen darf. "Hätten wir ihn eingeladen, gäbe es Vorwürfe, dass wir Kasperlfernsehen machen." Man könne es nicht allen recht machen – und wolle es auch nicht, etwa wenn sich Politiker in Sendungen reklamieren möchten.

Generell verortet er das Medienverständnis des Bundeskanzlers "eher auf der Propagandaseite". Faymann meide beispielsweise seit Jahren "ZiB 2"-Auftritte – ebenso wie sein SPÖ-Parteikollege, der Wiener Bürgermeister Michael Häupl. Seit einem kritischen Interview 1996 sei er gerade ein Mal Gast in der "ZiB 2" gewesen, sagt Bornemann.

Laut seinem Befund würden die Zuseher dem ORF vertrauen. "Rotfunk"- und "Lügenpresse"-Rufer seien klar in der Minderheit. Um noch glaubwürdiger zu werden, wünscht sich Bornemann eine eigene Seite auf orf.at, auf der Fehler transparent gemacht werden. Nach ersten Gesprächen gebe es eine "positive Resonanz".

Medienmagazin erwünscht

Ein Beitrag zur Medienkritik wäre auch ein seit Jahren diskutiertes und versprochenes Medienmagazin im ORF. Dass es das noch immer nicht gibt, bedauert Ö1-Journalist Stefan Kappacher: "Der ORF als Leitmedium sollte das haben." Konzipieren würde er es als "politisches Magazin" und weniger als Nabelschau, welches Medium gerade an Reichweite gewinne oder verliere. So ein Format würde die Glaubwürdigkeit erhöhen.

Gegen den Vorwurf, dass deutsche Medien Marionetten der Politik seien, wehrte sich "Spiegel"-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer in seinem Vortrag "Wir werden nicht ferngesteuert". Kritiker hätten ein "Megafon", sie würden sich damit Gehör verschaffen, aber der Großteil des Publikums vertraue den Medien. Um weiter an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, habe der "Spiegel" eine neue Art der Fehlerkultur implementiert.

"Wir müssen Fehler zugeben, wenn sie passieren, und uns den Lesern erklären", etwa mithilfe von Korrekturspalten, zudem verfüge der "Spiegel" über ein 70-köpfiges Dokumentationsteam, das "jedes Wort überprüft". Journalisten dürften nicht behaupten, die Wahrheit gepachtet zu haben. Sie müssten sie ausloten und "im Zweifel Dinge offenlassen". Der Großteil der Wut komme von Leuten, die Geschichten gar nicht lesen, sagt Brinkbäumer, etwa weil sie über ein Cover stolpern, zum Beispiel über jenes mit dem Titel "Stoppt Putin jetzt!". Leser hätten gedacht, der "Spiegel" wolle, dass die Nato einmarschiere. (omark, 14.4.2016)